Die LichtatmosphäreBEDEUTUNG VON LICHT IN DER SCHWANGERSCHAFT UND GEBURT

„Das Licht der Welt erblicken“ – welch ein fundamentaler Begriff für das Leben: in die Wirklichkeit der Welt treten, geboren werden! Es ist der Anfang schlechthin, wir alle wurden geboren, von einer Mutter ins Leben gesetzt, und haben nach Monaten der dunklen Geborgenheit die Augen aufgeschlagen. Was war vorher? Wohin wird die Reise gehen?

Es ist uns normalerweise nicht in Erinnerung, wie dieses erste „Welt-Bild“ aussah, das wir erblickten. Wir wissen aber, dass Neugeborene sehr wohl schon sehen können. Ich selbst hatte das unvergessliche Erlebnis, von einem eben erst geborenen Kind einen direkten Blick in die Augen zu empfangen, und es war mir klar, hier geschah eine klare und erkennbare Begegnung, das Kind empfing ein Bild seiner neuen Wirklichkeit.

Kommt ein Kind tagsüber zur Welt, so ist ihm zu wünschen, dass schönes Wetter herrscht, vielleicht sogar ein leicht gedämpfter Sonnenstrahl sein Auge trifft. Nachts sind wir hingegen auf die Kunstbeleuchtung angewiesen, und es sollte sehr genau überlegt werden, wie diese in einer Geburtsabteilung auszuführen ist.

Wie erblickt der Mensch heute die Welt im Leuchtstoff-Licht, wie bei LEDs?

Hatten wir in früheren Zeiten weitgehend nur echtes Temperaturstrahler-Licht durch die Glüh- oder Halogenglühlampe, so hat sich das „modernere“ und energiesparende Entladungslicht mit seinen inkompletten Linienspektren schon vor langer Zeit auch in die Geburtsbereiche eingenistet. Solche Lichtspektren lassen sehr zu wünschen übrig, was die Gesundheitswirkung betrifft. Es ist daher eine wichtige Aufgabe in diesen, wie auch anderen medizinischen Abteilungen mit neuen Lichtstrategien vorzugehen: Auf Basis neuer Erkenntnisse der Lichtbiologie.

Und wie geht es den Müttern?

Als wir in einem Niederösterreichischen Krankenhaus die interessante Aufgabe hatten, für die Kreißsäle eine neue Beleuchtung zu planen, sagten uns die Hebammen, aus ihrer Sicht gäbe es, etwas verallgemeinert, zwei Hauptgruppen von Frauen: Die einen wünschten bei der Geburt Helligkeit, also volles Tages- oder Kunstlicht mit hoher Beleuchtungsstärke, und auch eher helle -Wände. Diese Gruppe hätte hohe Erwartungen bezüglich Hygiene und wünschte häufiger -schmerzstillende Mittel als die andere Gruppe, die eher ein dunkleres Lichtambiente vorziehen würde und allem Anschein nach die Geburt eher als etwas natürlich und intim Verlaufendes versteht. Diese Frauen seien durch helles, vor allem grelles Licht eher belastet und auch auf die Tageszeiten würden sie stärker reagieren.

Unsere Lichtgestaltung bei dem Auftrag war schwierig, weil durch einen Neubau die alten Fenster verschlossen worden waren und zu jeder Tageszeit Kunstlicht gebraucht wurde. Wir lösten die Aufgabe durch „dynamisches Licht“, und dies in einer auch ästhetisch sehr ansprechenden Form: In die verbliebenen Fensternischen ließen wir von uns gestaltete Buntglasscheiben in Tiffany-Technik einsetzen – angenehm bunte Bilder mit leicht abstrahierten Landschaftsformen. Diese konnte man nach Befinden der werdenden Mutter auch in der Helligkeit dimmen, und weil sie mit Glühlicht hinterlegt waren, färbte sich das herabgedimmte Licht warmfarbig wie am Nachmittag oder Abend.

Wie tiefgreifend wichtig Licht für jeden Menschen ist, wissen wir erst aus den neuen Forschungen der letzten Jahre. Gehen wir noch einen Schritt zurück in die Monate der Schwangerschaft: Welches Licht hat da seine Einflüsse auf Mutter und ungeborenes Kind gehabt? Es ist uns heute aus der Forschung bekannt, dass das Auge seine Photonenreize direkt an das Gehirn weitergibt, zum Sehzentrum im Hinterhaupt, wo wir die Sehbilder erkennen. Gleichzeitig wird das Licht aber auch über den „energetischen Sehnerv“ ins vegetative Nervensystem eingeleitet, wo es die verschiedensten Funktionen erfüllt und den Körper steuert. Müttern ist es sehr zu wünschen, dass sie während der Schwangerschaft ein Höchstmaß an gesundem, natürlichem Tageslicht genießen können, weil nur eine solche Lichtqualität wirklich garantiert, dass Tag für Tag der Hormonzyklus im natürlichen „zirkadianen“ Rhythmus verläuft: Der Tag begrüßt natürlicherweise die werdende Mutter im rosigen bis purpurfarbenen Morgenlicht, besonders, wenn die Wohnung günstig liegt und viel Tageslicht eintreten kann – das „Bauen mit der Sonne“ ist ja eine seit Jahrzehnten wieder aktuell gewordene Regel, um der Finsternis in eng verbauten Ortsgebieten entgegen zu wirken. Vormittags scheint viel Sonne, aber auch wenn es bewölkt ist, färbt sich das Tageslicht gelb bis aprikosefarben und damit sonnenähnlich. Nur mittags darf das Licht höhere Blauanteile aufweisen, wenn kein „Blaulichtschaden“ entstehen soll – wir kommen noch darauf zurück. Im weiteren Tagesverlauf wird das natürliche Licht wieder wärmer, das heißt, langwelliger mit höheren Gelbrot-Anteilen in seinem Lichtspektrum. Abends sind wir aus der Frühzeit der Menschheit in tropischen Ländern rötliches Licht gewohnt, und dieses Licht – seit dem Gebrauch des Feuers noch wesentlich verstärkt durch den Blick in die rote Glut, heilt Tagesschäden in der Netzhaut.

Wie ist es nun, wenn die Lage des Hauses nicht so günstig ist und wir, vor allem auch im Winter, Kunstlicht verwenden müssen? -Abgesehen davon, dass den werdenden Müttern empfohlen wird, so oft wie möglich an die gesunde Luft im Freien zu gehen, Bewegung zu machen und das Tageslicht zu genießen, gibt es klare Gesundheitsregeln für künstliche Beleuchtung.

Die Erkenntnisse der Lichtbiologie lauten:

Künstliches Licht soll so naturnah wie möglich sein, das heißt, als menschgemäß gilt alles Licht mit komplettem Spektrum wie beim Sonnenlicht. Unter den Kunstlichtquellen kommt an diese Qualität nur das Glühlicht heran, und zwar aus einfachen physikalischen Gründen: Komplette Lichtspektren haben nur die „Temperaturstrahler“, also Lichter von heißem Material, das tatschlich eine Temperatur ab ca. 2000 Kelvin hat: Der glühende Osmium-Wolframdraht in der Lampe, das glühende Scheit und die Kohle im Ofen, die Kerzenflamme, flüssiges Metall oder Glas oder eben die Sonnenoberfläche. Modernere Leuchtmittel sind technisch anders gebaut und haben daher kein komplettes Spektrum. Je weiter sie vom Sonnenlicht abweichen, um so unnatürlicher strahlt ihr Licht: Ein Surrogat, das daher schwangeren Frauen nicht über größere Zeitspannen zugemutet werden sollte.

Im natürlichen Licht ist besonders der Anteil an warmfarbigem Licht, d.h. an rötlichgelben und roten Strahlen, gesundheitlich wertvoll, solches Licht wirkt gemütlich und heimelig, wobei auch die unsichtbare Wärmestrahlung und das Nah-Infrarot der Schwangeren gut tut, Auge und Nervensystem entlastetet und die Netzhaut des Auges von Tagesschäden heilt. Tagesschäden entstehen täglich und immer im Leben, weil blaues Licht im sichtbaren Bereich grundsätzlich das menschliche Auge belastet, die Wissenschaft spricht von der „Blaulichtgefahr“ (blue light hazard). Hochseefischer in Tagesschichten sind ohne Augenschutz schon seit Generationen von Alterserblindung bedroht; unser Körper weiß von der Blaulichtgefahr und färbt die Linse des Auges mit zunehmendem Alter bräunlich – eine „natürliche Sonnenbrille“ – und im Zentrum der Netzhaut, wo wir scharf und farbig sehen, sind gelbe Pigmente eingebaut, die blaues Licht dämpfen, weshalb diese Zone „Makula lutea“, gelber Fleck, heißt.

Diese Makula ist durch Blaulicht in Gefahr zerstört zu werden, die „Altersbedingte Makula-Degeneration“ (AMD) ist in den letzten Jahren beträchtlich angestiegen. Leider ist der Blauanteil im Licht nur mit dem Spektroskop zu erkennen, aber nicht mit dem Auge – Tatsache ist, dass wir heute einen krassen Blaulicht-Überschuss ertragen müssen, nicht nur durch künstliche Beleuchtung, sondern auch durch die vielen elektronischen Bildschirme.Eine bekannte bau- und wohnbiologische Regel ist außerdem, dass sich vor allem schwangere Frauen vor zu viel elektromagnetischer Strahlung schützen sollten, das heißt, vor elektromagnetischen Feldern aus starken Leitungen wie auch aus elektrischen Geräten. Dies gilt Dies gilt natürlich auch für Mikrowellen.

Und wie steht es mit Nachtarbeit in der Schwangerschaft?

Über Nachtarbeit und Krebsgefahr sprach erst kürzlich beim Symposium „Licht und Gesundheit“ in Wien Frau Prof. DDr. Eva  Schernhammer, sie forschte auf der Harvard-Universität über die Gefährdung durch Verschiebungen des natürlichen Zeitrhythmus bei Nachtschichtarbeit, weil hier das Licht das wichtige Hormon Melatonin blockt und es dadurch zu häufigen Erkrankungen kommt. Davor sollten vor allem schwangere Frauen unbedingt bewahrt werden. Eine sehr gefährliche Maßnahme – sie ist bereits zurecht in Verruf gekommen – ist es, Nachtarbeiter mit hellem, kaltem, stark blauhaltigem Licht zu beglücken, damit sie wach bleiben und damit „besser“ – gemeint ist effektiver und mehr – arbeiten können. Dass dies eine gesundheitlich problematische Maßnahme darstellt, ist inzwischen klar geworden. Der Organismus reagiert auf Verschiebungen des Zeitrhythmus, wie wir vom Jetlag wissen, und falsches Licht zur falschen Zeit führt zu hormonellen Verschiebungen und ihren belastenden Folgen.

Licht ist Leben

Im Mythos brachte Prometheus den Menschen das Feuer, sodass sie die Nacht zum Tage machen konnten – ein wichtiger Schritt gegen Gefahren und ein Segen für die Kulturentwicklung. Wie wir mit dem Licht leben und was wir heute daraus machen, das liegt allerdings in unserer eigenen Verantwortung.

Autor: Karl Albert Fischer