VäterkarenzMÖGLICH ABER GESELLSCHAFTLICH NOCH NICHT VERANKERT

Paula und Hannes bekommen in den nächsten Wochen ihr drittes Kind. Während es für Hannes selbstverständlich erscheint, dass die ganze Elternzeit einzig und allein Paula in Anspruch nehmen wird, hat sie konkrete Pläne diesmal bald wieder ins Arbeitsleben einzusteigen und sich mit Hannes die Elternzeit zu teilen. Darüber gesprochen hat Paula aber bis jetzt mit ihrem Partner noch nicht.

Franziska und Viktor haben bereits Zwillinge. Leonie und Jonas (3) sind von den Eltern zu gleichen Teilen betreut worden. Zuerst ist Franziska in Karenz gegangen, dann hat Viktor sie abgelöst und hat sich ebenfalls um die zwei Kleinen gekümmert. Beim nächsten Kind wollen die beiden das gleich handhaben, denn zu seinem Erstaunen hat Viktor die Zeit mit seinen beiden Kindern rundherum genossen.

Anna und Moritz möchten sowohl Karriere machen als auch Kinder haben. Sie haben ihre Eltern gebeten, sich zu überlegen, ob sie als Großeltern einen wesentlichen Teil der Betreuungszeit übernehmen könnten. Sie wollen mit dem Kinderkriegen warten, bis die Mutter von Moritz in Pension gehen kann, damit beide gleich wieder arbeiten gehen können.

Väterkarenz – eine Möglichkeit der Gleichberechtigung

Mütter und Väter, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind, haben Anspruch auf Karenz. Karenz bedeutet, die Freistellung von der Arbeitsleistung gegen Entfall des Arbeitsentgeltes. Dies gilt bis zum Ablauf des zweiten Lebensjahres des Kindes. Voraussetzung dafür ist, dass Eltern und Kind im gleichen Haushalt leben. Beide Elternteile dürfen nicht gleichzeitig in Karenz gehen. So ist die Mindestinanspruchnahme der Karenz zwei Monate. Weiters besteht für Mütter und Väter das Angebot die Arbeitszeit zu reduzieren. Dies nennt sich Elternteilzeit.

Eine Teilung der Karenz ist in Österreich zweimal möglich. Dies bedeutet, dass insgesamt drei Karenzteile zulässig sind. Seit 2005 ist in Österreich der gleichrangige Anspruch beider Elternteile auf Karenz im Gesetz verankert. Voraussetzung dafür ist allerdings die Einigung beider Elternteile. Skandinavische Länder haben Österreich als Vorbild dafür gedient, weshalb sich der Gesetzgeber dazu entschieden hat, den Anspruch und die Gleichsetzung beider Elternteile im sogenannten Väter-Karenz-Gesetz festzulegen. Dieser Anspruch auf Karenz gilt bis zum zweiten Geburtstag des Kindes.

Als weitere Möglichkeit gibt es die sogenannte Elternteilzeit. Hier haben die Eltern unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Reduzierung ihrer Arbeitszeit oder können die Arbeitszeiten zugunsten der Kinderbetreuung verändern. Auch dabei haben sie einen Kündigungs- und Entlassungsschutz. Manchmal ist das die beste Möglichkeit, dass die Kinder bis zum Beginn des Kindergartens abwechselnd von Mutter und Vater betreut werden ohne, dass einer von beiden (nach dem Mutterschutz) über längere Zeit in Karenz geht.

Von Anfang an bei dem Neugeborenen

In manchen Arbeitsbereichen gibt es für Väter auch die zusätzliche Möglichkeit eines „Papamonats“. Dieser wird auch „Väterfrühkarenz“ genannt. Seit 1. März 2017 gibt es dafür die Möglichkeit einer finanziellen Unterstützung für Väter, die direkt nach der Geburt bei der Familie bleiben möchten. Man spricht hier vom sogenannten „Familienzeitbonus“. Der „Papamonat“ kann während der ersten zwei Monate nach der Geburt, also noch während des Mutterschutzes in Anspruch genommen werden. Trotz des Zuschusses, der gewährt wird, ist diese vierwöchige Karenz prinzipiell unbezahlt, aber auch unbezahlbar für die Familie. Während dieses Monats ist der Vater gemeinsam mit der Mutter zu Hause, kann von Beginn an eine Bindung zu seinem Kind aufbauen und die frischgebackene Mutter umsorgen und unterstützen. Dies ist vor allem von Vorteil, wenn kein soziales Netz und keine Großeltern zur Verfügung stehen, die Mutter und Kind in der ersten Zeit nach der Geburt helfen, wenn es notwendig sein sollte.

Warum also entscheiden sich immer mehr Paare für eine Aufteilung der Karenzzeit?

Während es in früherer Zeit nicht möglich und gar nicht angedacht war, dass Männer bei ihren Kindern zu Hause bleiben, das Kind/die Kinder versorgen, den Haushalt managen und die Eltern zu Gunsten der Kinder die Rollen tauschen, ist es heute für einige Männer eine klare Selbstverständlichkeit, sich auch um ihren Nachwuchs zu kümmern und ihrer Partnerin die Möglichkeit zu eröffnen, wieder rascher ins Berufsleben zurückzukehren.

Gesellschaft und Finanzen als Faktoren gegen die Vaterkarenz

Dass Männer bei den Kindern zu Hause bleiben, ist in Österreich zwar gesetzlich geregelt, aber noch lange nicht üblich. Laut Familienministerium sind es in etwa 17 % aller Väter in Österreich, die sich für eine Väterkarenz entscheiden. Der Anteil aller Väter, die in skandinavischen Ländern in Karenz gehen, beträgt fast 90%.

Seit dem Inkrafttreten des neuen Kindergeldbetreuungsgesetzes 2010 stehen in Österreich fünf verschiedene Karenzmodelle zur Auswahl. Trotz der neuen einkommens-unabhängigen Variante entscheiden sich aber verhältnismäßig wenige Paare dazu. Seit 1.3.2017 gibt es hierzulande ein neues Kindergeldmodell, das von der Karenzzeit unabhängig ist.

In Diskussionen über die Ursachen, weshalb es nicht möglich ist, dass der Mann bei den Kindern zu Hause bleibt, werden oft finanzielle Gründe genannt. Ein weiteres Argument ist auch, dass der Arbeitgeber den Mann nach dem gesetzlichen Anspruch auf Rückkehr an seinen Arbeitsplatz kündigen könnte. Daher wagen Männer oftmals nicht den Schritt in die Väterkarenz.

Auch befürchten viele Männer, dass sie ihre beruflichen Kontakte verlieren könnten und, dass – speziell in der Privatwirtschaft – die Väterkarenz de facto schon allein wegen der zusätzlichen Belastung für die Kollegen unmöglich sei.

Manchmal wird das Nicht-Inanspruchnehmen dieser Möglichkeit, dass die Männer daheimbleiben, auch mit der traditionellen geschlechtsspezifischen Rollenteilung begründet. Eine Frau sei dazu bestimmt, bei den Kindern zu Hause zu bleiben und für den Haushalt zu sorgen. So, oder so ähnlich lauten Gegenargumente zur Väterkarenz. Fairerweise muss auch gesagt werden, dass es auch Frauen gibt, die die Väterkarenz nicht in Betracht ziehen, denn ihre Bedenken, ob der Vater das Kleinkind auch gut versorgen könne, sind sehr groß.

Argumente für die Teilung der Karenzzeit sind die Erwartung einer positiveren Vater-Kind Beziehung, die Gleichberechtigung von Frau und Mann und nicht zuletzt, dass Frauen und Männer im Stande sind, sich gleichwertig aufgeteilt um ihren Nachwuchs zu kümmern.

Es sollte jedenfalls keine Frage des Einkommens oder der Machtverhältnisse sein.

Wenn sich beide Partner bewusst für ein Kind entschieden haben, sollten Mutter und Vater auch zu gleichen Teilen die Verantwortung für die Familie übernehmen und übernehmen können.

Vätern sollte es möglich sein, viele Momente mit ihrem Kind auch in alltäglichen Situationen zu erleben. Nicht zuletzt ist es für die Frau auch wesentlich einfacher wieder ins Berufsleben einzusteigen mit der Gewissheit, dass das Kind beim anderen Elternteil bestens versorgt ist.

Karenzzeit für die Anderen

Es ist so, dass Väterkarenz für viele Väter eine wunderbare Möglichkeit der Teilnahme an der Gestaltung des Familienlebens ist und gerade deswegen forciert werden sollte. Es zeigt sich aber auch, dass dies eben für viele Paare zwar eine theoretische Möglichkeit ist, jedoch noch von wenigen Vätern in Österreich tatsächlich genutzt wird.

Womöglich ist hier ein Umdenken notwendig. Weg von den traditionellen Rollenbildern und hin zur Gleichstellung von Frau und Mann in allen Bereichen des Lebens. Die flächendeckende Umsetzung kann jedoch nur möglich werden, wenn es von Seiten der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber unterstützt wird, dass Väter für längere Zeit in Karenz gehen, somit der Mann weniger Angst um seinen Arbeitsplatz haben muss und die Familie keine zu großen finanziellen Einbußen zu erwarten hat.

Auch, wenn es die Möglichkeit der Väterkarenz gibt, so kann man niemanden dazu zwingen. Es mag Väter geben, die sich nicht zutrauen den Alltag mit ihrem Kind/ihren Kindern zu verbringen oder Männer, die lieber ihren Job machen, als ihren Tag zu Hause mit schreienden Kindern, mit Wickeln, Füttern, in der Kindergruppe und auf dem Spielplatz zu verbringen. Die eben nicht mit der Mutter ihrer Kinder tauschen wollen. Manchmal ist es auch der befürchtete Gesichtsverlust der Männer vor dem gleichen Geschlecht, aus dem ein zu Hause bleiben unmöglich erscheint.

Es gibt auf jeden Fall immer gute Gründe, warum ein Elternpaar sich dafür oder dagegen entscheidet, dass auch der Vater in Karenz geht.

Selbstverständlich ist es Sache jedes einzelnen Paares, wie es für die eigene Familie entscheidet. Jede individuelle Entscheidung beeinflusst gesellschaftspolitisch das Miteinander, welches Frauen und Männer im 21. Jahrhundert im Sinne ihrer Kinder gefunden haben und weiterhin finden werden.

Auch im eigenen Interesse des Vaters ist eine Väterkarenz sinnvoll. Denn Vater und Kind/Kindern tut es gut, wenn sie über mehrere Wochen den Alltag mit dem Papa als primärer Bezugsperson verbringen können. Sie lernen sehr schnell, dass beim Papa wahrscheinlich andere Dinge Prioritäten haben, dass der Papa eventuell mehr oder weniger Zeit mit Spielen verbringt als die Mama oder dass der Papa gerne mehr Zeit mit dem Kind/den Kindern draußen unterwegs ist, etwas unternimmt und dafür dem Haushalt weniger Aufmerksamkeit widmet. Oder aber, dass der Papa gerne vor seinem Computer sitzt und die Kinder mehr Freiraum und weniger Ansprache haben als bei der Mama.

Jedenfalls bringt die Aufteilung der Karenz und somit die Erziehung der Kinder und das Erledigen von Haushalt und Familienalltag, durchaus auch Konflikte zwischen den Partnern mit sich. Es bedarf oftmals einer Veränderung der Einstellung dazu, wie Dinge zu handhaben sind und führt meist zu einer veränderten Sichtweise der Elternteile auf den Alltag mit Kind, bzw. mit der Mehrfachbelastung von Haushalt, Kind und Job.

Obwohl immer mehr Väter diese Chance nutzen, um Zeit mit ihren Kindern zu verbringen, werden sie im täglichen Leben immer noch zu selten gesehen und immer noch ein wenig als Ausnahme wahrgenommen.

Es bedarf vieler unterschiedlicher Diskussionen und Gespräche gesellschaftlich und innerfamiliär, dass das Konzept der Väterkarenz in Österreich für jeden Vater eine wirklich freiwillige Entscheidung dazu ist.

So ist zu bedenken, dass es auch für den Mann nicht einfach ist als einziger im „Mutter-Kind-Schwimmen“, in der „Mutter-Kind-Spielgruppe“ oder zu den „Mutter-Kind-Treffen“ zu gehen.

Hier findet tatsächlich die Ausgrenzung der Väter im Sprachgebrauch statt, sodass sich niemand wundern muss, weshalb sich in Österreich wenige Männer dazu entscheiden, die Karenzzeit mit ihrer Partnerin aufzuteilen und viel mehr Zeit mit ihrem Nachwuchs zu verbringen.

Warum also gibt es nicht „Eltern-Kind-Spielgruppen“ oder „Mutter-Vater-Kind-Treffen“?

Unbezahlbare Erfahrung

Wenn man Väter befragt, die in Karenz waren, dann überwiegen die positiven Erlebnisse mit den Kindern.

Fast alle freuen sich darüber, dass sie in dieser Zeit eine viel intensivere Beziehung zu ihren Sprösslingen aufbauen konnten und dass sie die Entwicklung ihres Kindes hautnah und nicht durch Erzählungen der Mutter miterleben konnten.

Einige hatten anfänglich wahrscheinlich auch ein wenig Respekt vor dieser Herausforderung, die sie dann trotz allem gut meistern konnten.

Für viele war diese Zeit anstrengend, nervig, aufregend, aber auch toll, lustig, sehr erfüllend und hat ihnen meist auch viel für die persönliche Entwicklung gebracht.

Autorinnen: Dipl.- Päd. Andrea Leidlmayr, Mag. Christine Strableg