Crossfit in der SchwangerschaftJa oder nein?

Musst du in der Schwangerschaft deine Kettle­bell an den Nagel hängen? Wie kannst du auch in der Kugelzeit am Ball bleiben und dich auf eine kraftvolle Geburt vorbereiten?

Die Hardfacts

Oberste Regel: Hör auf deinen Körper! Es gibt keine bessere Zeit, um dich voll und ganz auf deinen Körper und seine Veränderungen einzulassen. Jeder Tag kann anders sein – so wie auch jede Schwangerschaft individuell verläuft. Versuch, dich von Anfang an nicht mit anderen zu vergleichen. Besonders im Sport gilt: kein Wettkampfgedanke mehr! Und hier sind wir schon beim großen Stichwort WOD (= workout of the day). In der Gruppe trainiert es sich meist leichter, man geht schneller über Grenzen. In der Schwangerschaft solltest du jeden Wettkampfgedanken über Bord werfen. Sei ehrlich zu dir selbst: Bist du nicht der Typ, der in der Gruppe auch mal „langsam machen kann“, ist es besser mit einer Freundin, dem Partner oder auch mal alleine zu trainieren.

Dinge, auf die du achten solltest

Heartrate: HiiT (= high intensity interval training) – Einheiten steigern die Herzfrequenz zu extrem. Daher wird dein Fokus auf Endurance (=Ausdauer) – Einheiten liegen, bei denen du dich zu jedem Zeitpunkt unterhalten können solltest – das ist der sogenannte Sprechtest. Er gibt dir die Sicherheit, ausreichend mit Sauerstoff versorgt zu sein. Schwitzen ist definitiv erlaubt. Kurzatmigkeit sollte jedoch vermieden werden. Diese geht mit einer zu hohen Herzfrequenz einher, mit der dein Kind nicht gut umgehen kann.

Beckenboden

Jeder spricht davon, aber worum geht es genau? Besonders in der ersten Schwangerschaft ist dein Beckenboden meist ein unbeschriebenes Blatt – schmerzfrei – und lässt nie aus (Harnverlust ist ein Fremdwort). Was du wissen musst, um gesund trainieren zu können:

Der Beckenboden ist tatsächlich der Boden unseres knöchernen Beckens. Wenn wir mit unserem inneren Auge nach unten sehen würden, bildet er den Abschluss unseres Oberkörpers. Er hält unsere Organe und spannt sich ähnlich einer Hängematte zwischen Steißbein, Schambein und den beiden Sitzbeinhöcker auf. Seine Kunst: Er muss jeglichem Druck von oben standhalten (Husten, Niesen, Lachen, Heben, Springen), aber auch im richtigen Moment entspannen und loslassen können (Harn lassen, Stuhlgang). Es ist also ein wahrer Alleskönner.

Alle Umkehrpositionen entlasten den Beckenboden. So auch der Handstand.

In der Schwangerschaft steigen das Gewicht und somit der Druck stetig an. Wenn du deinen Beckenboden mit zusätzlichem Gewicht oder Sprüngen belastest, muss dir bewusst sein, dass du ihn zusätzlich forderst und er in der Schwangerschaft Probleme machen könnte, wodurch auch der Weg der Rückbildung beschwerlicher werden kann.

Für Crossfit nach der Schwangerschaft ist eine adäquate Rückbildung unumgänglich. Dein Beckenboden muss wieder 100%ig fit werden (keine Schmerzen, keine Inkontinenzzeichen) und dein Bauchmuskel sollte sich unbedingt wieder gut geschlossen (2 Querfinger) sowie stabilisiert haben. Dann steht dem Training nichts mehr im Weg.

Dein Bauchmuskel

Die Sehnenplatte zwischen deinen beiden geraden Bauchmuskeln dünnt in der Schwangerschaft aus und verbreitert sich. Zusätzlich verlängern sich die Bauchmuskeln um 10cm bis 15cm. Somit kommt es zum Ungleichgewicht im Zusammenspiel der Rücken- und Bauchmuskulatur. Der Rücken „verliert“ vorübergehend seinen Gegenspieler und muss mehr leisten. Daher neigen auch viele Schwangere zu Rückenbeschwerden. Entgegen vieler Ammenmärchen sollte der Rumpf in der Schwangerschaft unbedingt trainiert werden. Für die Geburt brauchst du deine Bauchmuskeln. Besonderes Augenmerk liegt jetzt aber auf den schrägen Muskelzügen. Diese können zum Beispiel in allen Varianten des Seitstütz wunderbar trainiert werden. Auch hier sei erwähnt, dass du beim Training mit Gewicht ein stärkeres Ausdünnen der Sehnenplatte riskierst.

Warm-up

  • Rudern ist ein großartiges Ganzkörper Warm-up, aber da es auch sehr die gerade Bauchmuskulatur beansprucht, ist es cirka ab dem vierten Monat eher kontraproduktiv. Das ist meist der Zeitpunkt, wenn sich die Sehnenplatte des geraden Bauchmuskels zu dehnen beginnt.
  • Assault-Bike fordert auch sehr stark den Rumpf, da sich alle vier Extremitäten bewegen. Die aufrechte Position beansprucht aber den geraden Bauchmuskel weniger als das Rudern. Sobald du merkst, dass du den Rumpf nicht mehr stabilisieren kannst, solltest du auf das normale Bike wechseln.
  • Bike bleibt die beste Variante, lediglich die Oberkörperposition muss der Bauchgröße angepasst werden.
  • Crosstrainer hat nicht jede Box, kann aber in der Schwangerschaft super genutzt werden.

Im Workout

  • Burpees steigern in ihrer Standard-Ausführung zu sehr die Herzfrequenz und sind auch von den Positionen her nicht geeignet. Aber eine hohe Variante im Stütz auf einer Box, bei der nach hinten/vorne gestiegen wird und statt des Sprungs eine Kniebeuge gemacht wird, bringt dich auch ins Schwitzen und ist sicher.
  • Barbell: Wie in den Hardfacts beschrieben, muss mit jeder Druckerhöhung mit einer Mehrbelastung des Beckenbodens und der Bauch- und Rückenmuskulatur (= Rumpfkapsel) gerechnet werden. Aus physiotherapeutischer Sicht würde ich dir empfehlen, alle Varianten des Reißens zu unterlassen – du bist einfach viel weicher und instabiler –, auch alle Varianten überkopf sollten ausgespart werden. Wenn du es gar nicht lassen kannst, empfehle ich dir, das Gewicht auf ein Minimum zu reduzieren und zum Beispiel Strict Presses zu machen. Sobald der Bauch zieht und/oder hart wird: Pause machen. Auch der Rücken sollte nicht zwicken und der Beckenboden sollte währenddessen sowie danach schmerzfrei sein. Mit Schwung, also mit „Dip“, würde ich nicht empfehlen zu trainieren. Das Gewicht lässt sich so zwar leichter bewegen, aber fordert den Beckenboden enorm.
  • Bend over rows sind die bessere Variante, sofern der Bauch noch Platz lässt. Wichtig ist auch hier der stabile Rücken. Mehr Wiederholungen mit wenig Gewicht! Du solltest zu jedem Zeitpunkt sprechen können.
  • Deadlift trainiert dir Beine, Gesäß und unteren Rücken, korrigiert aber auch die Brustwirbelsäule in eine schöne aufrechte Position.
  • Sprünge: Wie bereits angesprochen wird der dabei Beckenboden gefordert. ­Double Unders wie auch Box Jumps könnten durch die höhere Sprunghöhe schnell unangenehm werden. Single Unders können geübt werden, solange du sprechen kannst, keinen Druck im Beckenboden spürst und der Bauch nicht hart wird.
  • PullUps werden mit steigendem Gewicht schwierig, vor allem weil dir die Ganzkörperspannung verloren geht. Bessere ­Variante: Ring Rows. Mit fortschreitender Schwangerschaft sollte sich deine Position immer mehr aufrichten. Dein Bauch sollte während der Anstrengung nie „spitz“ wirken.
  • PushUPs: Die normale Ausgangsposition fordert den geraden Bauchmuskel sehr stark. Ich empfehle dir daher, mit steigenden Schwangerschaftswochen immer weiter in eine schräge Position zu wechseln – auf eine Box und gegen Ende gegen die Wand.
  • Squats stellen eine der besten Übungen dar. Mit Zusatzgewicht vorsichtig sein, da es für den Beckenboden sehr schnell anstrengend werden kann. Auch breite Fußpositionen sind fordernd und können dann zur Geburtsvorbereitung genutzt werden. Gehe im Training auf Nummer Sicher: ohne Gewicht, dafür qualitativ gut!

Was noch ganz wichtig ist

Man kann leider kein allgemeines Kochrezept verfassen. Ich möchte dir diese Empfehlungen mit auf die wunderbare Reise „bewegte Schwangerschaft“ geben, sofern du eine komplett komplikationslose Schwangerschaft genießen darfst. Es wird auch immer wieder Ups und Downs geben, die du annehmen musst und wirst. Die Schwangerschaft ist eine tolle Zeit, in der du deinen Körper viel bewusster wahrnehmen und kennenlernen wirst. Als Sportlerin ist es nicht immer leicht, zurückzuschrauben, aber für deinen kleinen Untermieter wird es ab und an notwendig sein.

Solltest du dir unsicher sein oder sollten Beschwerden auftreten, zögere nicht, deinen Arzt zu kontaktieren. Er kann dir zu jedem Zeitpunkt eine Verordnung zur Physiotherapie ausstellen. Such dir eine PhysiotherapeutIn in deiner Nähe, die auf Gynäkologie spezialisiert ist. An dieser Stelle sei erwähnt, dass leider immer noch viele Ärzte auch bei komplikationslosen Schwangerschaften von Sport abraten. Aktuelle Studien belegen aber die positiven Auswirkungen auf die Geburt und auch auf den Regenerationsverlauf.

Crossfit ist bestimmt nicht die beste Sportart für die Zeit der Schwangerschaft. Aber wenn du diese Empfehlungen beherzigst und lernst, auf die Warnsignale deines Köpers zu hören, können doch einige Elemente gut umgesetzt werden.

Du möchtest gerne weiterhin in der Gruppe trainieren? Möchtest auf Nummer Sicher gehen und dich professionell durch die Schwangerschaft begleiten lassen? Die Running Clinic bietet dir Physiotherapie in der Schwangerschaft und nach der Geburt. Spezialisierte Physiotherapeutinnen gehen auf deine Bedürfnisse ein. Ob outdoor in der Gruppe, indoor oder auch im Einzelsetting in der Ordination – wir stehen dir für alle Fragen zur Verfügung und sind auch mit anderen Berufsgruppen gut vernetzt. Alle Informationen unter runningclinic.at. Aufgrund der aktuellen Corona-Situation sind alle Angebote auch online verfügbar.

Autorin: Franziska Malle