Fünf Wörter …… Die Schwangere aus ihrem Wortschatz streichen sollten

Unlängst wurde ich für einen Podcast interviewt. Da wurde mir die Frage gestellt, welche fünf Wörter Schwangere meines Erachtens aus ihrem Wortschatz streichen sollten.

Wir beschäftigen uns in den Positive Birth®-Kursen viel mit der Macht der Worte. Ein Wort kann sofort eine negative, aber auch eine positive Resonanz in einer Person hervorrufen. Deshalb wählen wir die Worte, mit denen wir in den Kursen die Situation rund um die Geburt beschreiben, mit viel Bedacht. Natürlich ist das nicht statisch – manchmal kommt man erst im Laufe der Zeit darauf, dass ein Wort weniger gut geeignet ist als ein anderes, um ein positives Gefühl zu erzeugen. Manche Worte, wie zum Beispiel „Wehen“, lassen sich nur sehr schwer aus dem Alltag einer Schwangeren streichen, sodass es Sinn macht, damit einfach neue Assoziationen zu verknüpfen: Anstatt dass Wehen von „Weh tun“ kommt, könnte es auch an den Wind erinnern, der mal sanft, mal kräftig weht. Hier also mein Vorschlag von fünf Wörtern, auf die eine Schwangere durchaus verzichten oder durch nützlichere ersetzen kann:

1. Entbindung

Dieses Wort stammt aus einer Zeit, als man die Geburt eines Kindes für den richtigen Zeitpunkt hielt, die Beziehung zwischen Mutter und Kind, die Bindung, zu unterbrechen. Man kappte die sichtbare Stelle der Bindung sofort nach der Geburt durch sofortiges Durchtrennen der Nabelschnur und nahm das Baby der Mutter weg. Man verhinderte so, dass das Baby und die Mutter die ersten Momente nach der Geburt für den Aufbau einer sicheren Bindung außerhalb des Mutterleibes nutzen konnten. Kein Haut-an-Haut-kuscheln, kein Einander-Beschnuppern, kein erstes Stillen im eigenen Tempo. Die Entbindung setzte sich dadurch fort, dass das Kind möglichst sofort gewaschen und erst dann, wenn überhaupt, der Mutter voll eingepackt in den Arm gelegt wurde. Dadurch wurde sowohl die mütterliche Prägung auf den Geruch des Kindes als auch die Prägung des Kindes auf die Mutter schlicht unterbunden. Auch danach achtete man tunlichst darauf, die Bindung so gering wie möglich zu halten, indem man das Kind in ein „Kinderzimmer“ brachte. Maximal alle drei Stunden wurde ein Kontakt zwischen Mutter und Kind zum Stillen ermöglicht. Wir wissen heute, dass der erste Kontakt nach der Geburt wesentlich für eine sichere Bindung zwischen Mutter und Kind sein kann, zu einem höheren Stillerfolg und generell einer gesünderen psychischen und körperlichen Entwicklung des Kindes führt. Ersetzen wir also bitte das Wort Entbindung ganz einfach durch das, was es ist: eine Geburt!

Meine Affirmation für dich: „Ich freue mich auf eine natürliche und leichte Geburt.“

2. Krankenhaus

Nur etwa 2 % der Kinder in Österreich kommen zu Hause, im Geburtshaus oder irgendwo dazwischen zur Welt. Der Großteil unserer Kinder wird an einem Ort geboren, den wir „Krankenhaus“ nennen. Ich halte das als die Bezeichnung des Geburtsortes für ungeeignet. Wir verbinden mit Krankenhaus nämlich eine Institution voller Ärzte und Ärztinnen, die sich kranken Menschen widmen oder solchen, die aktive medizinische Hilfe benötigen. Eine Geburt benötigt aber in den meisten Fällen keine medizinische Hilfe, sondern einen liebevollen Beistand durch eine Hebamme. Natürlich gibt es diesen Beistand durch Hebammen auch in Krankenhäusern auf deren Geburtenstation. Darum sollte man sich als Schwangere überlegen, ob man seinen Geburtsort nicht lieber als „Geburtsort“ oder vielleicht neutral als Klinik bezeichnet. Mir gefällt das Wort „Spital“ aber noch besser. Aus dem Lateinischen stammend bedeutet es nichts anderes als „Ort der Gastfreundschaft“. Die in einem Spital zuständige Person, welche die Gäste empfängt, galt als „Beschützer des Gastrechts“ und sorgte dafür, dass sich jeder Gast wie ein König fühlen sollte. Man darf sich für eine Geburt durchaus wünschen, sich dort wie eine Königin zu fühlen! Wesentlich ist auch, dass das Wort Krankenhaus nicht vermittelt, was wir für die Geburt brauchen: das Gefühl von Sicherheit, Gesundheit und Geborgenheit.

Daher meine Affirmation für deinen Geburtsort: „Ich gebäre sicher und gesund.“

3. Schmerz

Du hast bestimmt schon darauf gewartet: Das dritte Wort, das ich aus dem Schwangerenjargon streichen würde, ist „Schmerz“. Meiner Erfahrung nach geht es bei der Geburt nämlich oftmals gar nicht darum, dass dieses Erlebnis tatsächlich Schmerzen verursacht (hat), sondern dass die Frauen einfach keine andere Bezeichnung für diese vielfältigen Empfindungen bei der Geburt kennen, außer eben „Schmerz“. In den Positive Birth®-Kursen erkläre ich gerne die Einzigartigkeit des „Geburtsschmerzes“, der eigentlich gar keiner ist. Er ist so anders, dass man ihn eigentlich nicht so bezeichnen kann. Das, was wir bei der Geburt spüren können, ist vielfältig: ein intensives Gefühl, Druck, Ziehen, Vibrieren, Anspannung, Schwellen, Pulsieren, Brennen. Wenn wir wieder lernen, unsere Körperempfindungen achtsam wahrzunehmen, sind wir leichter in der Lage, sie genauer zu beschreiben als mit „Schmerz“. Das schafft so viel Raum für dich als Schwangere, aber auch für deine Begleiter. Wenn etwas brennt, tut meist Kühlung gut. Wenn etwas drückt, braucht man meist Entlastung. Wenn etwas sehr intensiv ist, brauchen wir einen Kanal, um es herauslassen zu können, damit es nicht staut. All das ist Geburt – Schmerz ist nur, wenn überhaupt, ein winziger Teil des Puzzles. Ich lade dich ein, dich der Geburt als Naturereignis zu stellen und dein Erlebnis in den vielfältigsten Worten beschreiben zu können.

Meine Affirmation für dich lautet: „Ich vertraue meiner eigenen Kraft.“

4. Angst

Das Wort, das mit Geburten am öftesten in einem Satz genannt wird, ist sicherlich „Angst“. Warum? Weil die Geburt etwas Unbekanntes, Mystisches an sich hat. Man weiß nicht so recht, was auf einen zukommt. Man weiß nicht, ob man damit „umgehen“ kann oder ob man komplett die Kontrolle verlieren wird. Und man weiß es bei keiner Geburt – egal, wie viele Kinder man schon geboren hat. Wie bereits gesagt ist die Geburt ein Naturereignis, unvorhersehbar und voll ungeahnter Kraft. Es ist verständlich, dass man da erstmal Angst hat. Nur: Diese Angst hindert dich vielleicht daran, sich darauf überhaupt erst einzulassen!

Die Geburt ist, wie wir bei Positive Birth® immer sagen, ein Weg mit einem Anfang und einem Ende. Aber es ist ein Weg, wo jeder Schritt nach vorne führt und keiner zurück. Du kannst die Geburt nicht stoppen, du kannst nicht einfach umkehren und sagen „So, dankeschön, ich steig da jetzt mal aus.“ Die Geburt verlangt von der Frau, vollendet zu werden (in welcher Weise auch immer). Deswegen ist es in Ordnung, Angst zu spüren, aber es ist besser, der Zuversicht zu folgen. Wenn wir zuversichtlich darauf vertrauen, dass alles, was bei der Geburt auf uns zukommt, für uns und das Baby am besten ist, wird es leichter sein, sich überhaupt erst darauf einzulassen. Wenn wir in der Angst feststecken, bauen wir massive Widerstände auf – gegen die Körperempfindungen, gegen unsere Begleitpersonen und ihre Vorschläge, gegen den Weg der Geburt als solchen. Öffnen wir uns aber der Zuversicht, können wir diese Widerstände auflösen.

Wir vertrauen darauf, dass wir zur richtigen Zeit die richtige Intuition haben, dass die richtigen Personen uns die richtigen Ideen liefern, dass diese Geburt – so wie sie ist – die richtige für uns und das Kind ist.

Nutze diese Affirmation für mehr Zu-versicht: „Zuversicht durchströmt mich. Ich lasse jeden Widerstand los.“

5. Loslassen

Zu guter Letzt ein Wort, mit dem du wahrscheinlich nicht gerechnet hast. Ich möchte das Wort „loslassen“ gerne aus deinem Schwangerschaftswortschatz gegen ein womöglich brauchbareres austauschen: „zulassen“. Die meisten Schwangeren, die sich gut auf die Geburt vorbereitet fühlen, sprechen recht viel vom Wort „loslassen“. Sie besuchen Kurse und machen sich mental und körperlich fit, damit sie dann im richtigen Moment bei der Geburt besser loslassen können. Aber genau da gibt es oft Probleme. Dieses Loslassen ist für viele Schwangere so schwer, als ob es um Leben und Tod ginge! Besonders in der vorletzten Phase der Geburt, wo man sich dem Baby noch ein letztes Stück weit öffnen muss, hängen sie fest wie ein Äffchen am Ast und klammern sich an – ja woran eigentlich? Vielleicht an das Leben, das nun nicht mehr sein wird, wie es war. Vielleicht an die Schwangerschaft, die so wunderschön und erfüllend war. Vielleicht an ein Bild, das sie von sich als Mutter hatten, aber dem sie insgeheim wissend nicht entsprechen werden. Woran auch immer: Mit dem Loslassen ist immer ein Abschied, ein Zurücklassen verbunden. Und das ist nicht für jede schwangere Frau stimmig! Manche Frauen können oder möchten nichts zurücklassen bei der Geburt. Sie möchten ihrem Leben noch etwas hinzufügen. Daher ist es schön, das Loslassen, wenn es nicht klappt, durch das Zulassen zu ersetzen: zulassen, dass jetzt der Körper die Führung übernimmt. Zulassen, dass jetzt ein neuer Mensch diese Familie erweitern wird. Zulassen, dass ich alles lernen werde, was ich wissen muss, wenn es soweit ist. Was es für dieses Zulassen braucht, ist Hingabe an die Geburt.

Wenn es soweit ist, denke an diese Affirmation: „Ich gebe mich der Geburt vollkommen hin.“

Ich wünsche dir eine wunderschöne Schwangerschaft und eine achtsame Geburtsreise!

Autorin: Jasmin Nerici