Die Schwangerschaft ist ein guter Einstieg in eine bewusste Ernährung, die Mutter und Kind auf Dauer gut tut und lange gesund erhält. Wie sich die Mutter in der frühen Schwangerschaft ernährt, prägt das Kind fürs Leben. Als besondere Lebensphase erfordert eine Schwangerschaft eine besonders nährstoffreiche Ernährung, um das heranwachsende Baby (inklusive der werdenden Mutter) bestmöglich zu versorgen.
Viele denken, dass man als Schwangere für Zwei essen muss – das stimmt aber nicht! Im ersten Trimester wird eine Mehrzufuhr von 250 kcal, im zweiten Trimester von 500 kcal am Tag empfohlen. Die Gewichtszunahme während der Schwangerschaft ist abhängig vom Ausgangs-BMI (Body-Mass-Index) und wird im Zuge des Mutter-Kind-Pass mit dem Arzt besprochen sowie kontrolliert.
Makronährstoffe:
Proteine
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt ab dem vierten Schwangerschaftsmonat 0,9g Eiweiß/kg Körpergewicht plus 10g pro Tag, um die Eiweißversorgung auch bei geringer biologischer Wertigkeit der aufgenommenen Proteine zu gewährleisten.
Schwangere, die zu wenig Energie aufnehmen, müssen primär ihr Energiedefizit decken, da ansonsten ein Mehr an Protein zur Energiegewinnung oxidiert wird und somit nicht für das Wachstum des Fötus genutzt werden kann.
Empfehlenswerte proteinreiche Lebensmittel sind fettarme Milch und Milchprodukte, fettarmes Fleisch, Fisch, Hülsenfrüchte (Kichererbsen, Bohnen, Linsen) sowie feingemahlene Vollkornprodukte (Brot, Nudeln).
Dennoch gilt die Regel „Qualität vor Quantität“! Es ist nicht primär wichtig, wieviel Protein man in Gramm zu sich nimmt, sondern wie gut verwertbar das aufgenommene Eiweiß ist.
Tierisches Protein ist für unseren Organismus besonders wertvoll und liefert relativ viel Eiweiß pro Portion, da es in der Zusammensetzung seiner Aminosäuren unserem Körperprotein ähnlich ist. Fleisch, Wurst und Eier sind jedoch Träger von unerwünschten Begleitstoffen wie Purinen, Cholesterin und gesättigten Fettsäuren.
Beispiele:
- 50 g Käse liefert 13 g Protein
- 150 g Rindersteak liefert ca. 32 g Protein
- 150g gekochter Naturreis liefert ca. 4 g Protein
- 300 g Kartoffeln liefern jedoch nur 6 g Eiweiß
Besonders gut können sich tierische und pflanzliche Eiweißquellen miteinander aufwerten.
PRAXISTIPPS:
Kombiniert man pflanzliche Proteine untereinander oder mit tierischen Proteinlieferanten, so erhöht man die biologische Wertigkeit.
Empfehlenswerte Protein-Kombinationen sind:
- Kartoffeln mit Hühnerei
- Kartoffelpüree mit Milch
- Naturreis mit Bohnen/Kichererbsen/ Linsen
- Quinoa mit Käse
- Hirse mit Hühnerei
- Vollkornbrot mit Käse
- Spaghetti mit Parmesankäse
- Reis mit Fisch/Fleisch/Ei
- Bohneneintopf mit Ei
- Erbsensuppe mit Milch
Wer regelmäßig Fleisch und Milchprodukte isst, deckt den erhöhten Proteinbedarf in der Schwangerschaft problemlos. Risikogruppen sind Vegetarierinnen und Veganerinnen.
Kohlenhydrate
Die DGE-Empfehlung zur Kohlenhydratzufuhr entspricht denen der allgemein präventiven Ernährung, womit in der Schwangerschaft mindestens 50% der Energiezufuhr aus vorwiegend komplexen Kohlenhydraten aufgenommen werden sollten.
PRAXISTIPPS:
- Täglich Obst als Zwischenmahlzeit oder als Nachtisch
- 2 bis max. 3 Stück Trockenfrüchte (z.B. Marille, Apfel, Birne, Dattel) kombiniert mit 4 Mandeln
- 1 Scheibe feingemahlenes Vollkornbrot mit fettarmem Belag
- 1 große Portion fettarm zubereitete Kartoffeln, Naturreis oder Vollkornnudeln mit reichlich Gemüse und nur wenig Fleisch oder Fisch als Beilage
Komplexe Kohlenhydrate enthalten zahlreiche Mikronährstoffe und sind zudem wichtige Ballaststoffträger. Ballaststoffe sind in der Schwangerschaft besonders wichtig, denn diese regen die Darmtätigkeit an und vermindern durch den langsamen Blutzuckeranstieg Heißhungerattacken.
Besonders zwischen dem vierten und siebten Schwangerschaftsmonat kann es häufig zu Heißhungerattacken kommen. Viele Schwangere greifen wahllos zu zuckerhaltigen Lebensmitteln, die zwar rasche Energie, jedoch keine Nährstoffe liefern. Empfehlenswert ist es, im Tagesverlauf regelmäßig kleinere Zwischenmahlzeiten zu essen. Diese liefern nämlich mehr Nährstoffe und stillen trotzdem den Hunger auf Süßes.
PRAXISTIPPS für kleinere, kohlenhydratbetonte Zwischenmahlzeiten:
- frisches, reifes Obst, am besten saisonal
- Naturjoghurt mit z.B. eine Handvoll Beeren, dazu 3 EL Amaranth gepoppt
- kleine Schale Porridge (aus 40g Haferflocken)
- Vollkornbrot (50-60g) mit Butter (dünn aufgestrichen) und etwas Marmelade
Fette
In der Schwangerschaft liegt die DGE-Empfehlung der Fettzufuhr bei 30% (ab dem vierten Monat bis maximal 35%) der Energiezufuhr. Dies entspricht der allgemeinen Empfehlung von ca. 70 g bis 90 g Gesamtfett am Tag. Diese Menge wird von Schwangeren sehr leicht erreicht oder sogar überschritten. Hinsichtlich der Gesamtfettzufuhr sollten Schwangere jedoch mehr auf die Qualität als die Quantität der Fette achten und eine fettarme Ernährung anstreben. Unter den Fetten gibt es die gesättigten, die einfach und die mehrfach ungesättigten Fettsäuren.
Letztere sind die sogenannten Omega-3-Fettsäuren, welche für den Fetus im letzten Trimenon besonders wichtig sind. Schätzungen zufolge werden 50-60 mg/Tag in das Gehirn, das Zentralnervensystem und die Netzhaut eingelagert. Das Speichervermögen von Omega-3-Fettsäuren der Schwangeren bleibt nur konstant, wenn täglich 190 mg/Tag an Omega-3-Fetttsäuren zugeführt werden. Die DGE empfiehlt für Schwangere eine tägliche Zufuhr von 200 mg Docosahexaensäure, was durch ein bis zwei fette Fischmahlzeiten in der Woche realisierbar ist. Alternativ dazu gibt es spezielle Produkte als Supplement, die 200 mg DHA aus Fisch oder auch aus der Alge enthalten.
Die in Pflanzen vorkommende Omega-3-Fettsäure (α-Linolensäure) muss in unserem Körper erst in die aktiven, funktionsfähigen Formen Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA) umgewandelt werden. Dieser Prozess findet lediglich begrenzt mit einer Durchschnittsrate von 5% zu EPA bzw. 0,5% zu DHA statt. Frauen besitzen eine geringfügig höhere Umwandlungsrate als Männer, was auf die Fetus- und Säuglingsversorgung zurückgeführt werden kann.
PRAXISTIPPS:
- Fettqualität vor -quantität!
- Gesättigte Fettsäuren reduzieren! Enthalten in: Kokos- und Palmkernfett, fetten Snacks, tierischen Produkten wie Fleisch- und Wurstwaren, Butter, Milchprodukten.
- Dafür öfters zu einfach ungesättigten Fettsäuren (Bsp. Rapsöl, Olivenöl extra nativ*) und mehrfach ungesättigten Fettsäuren (Bsp. Maiskeimöl, Leinöl*, Walnussöl*, Mohnöl*) greifen!
*Nur kalt verwenden, nicht erhitzen!
TIPP zum Kauf von hochwertigen kaltgepressten Omega-3- Ölen wie z.B. Leinöl:
Die meisten kaufen die Öle in Supermärkten. Halten Sie die Ölflasche im Supermarkt bzw. in der Drogerie unbedingt vor dem Kauf gegen das Licht! Für einwandfreie Qualität sollte das Öl am Boden der Flasche klar, ohne „graue Wölkchen“, sein. Ein grauer, wolkiger Bodensatz wäre der Hinweis, dass das Öl bereits ranzig, also daher kaputt ist und obendrauf kanzerogen wirkt. Oft ist die falsche Lagerung (zu warm, zu viel Licht) im Supermarkt der Grund hierfür.
Sicherstellung der Versorgung mit ausgewählten kritischen Mikronährstoffen
In der Schwangerschaft zählen Folsäure, Jod, Eisen und Vitamin D zu den kritischen Mikronährstoffen. Der Beginn einer Schwangerschaft erfordert vor allem einen erhöhten Bedarf an Folsäure und Jod, womit eine frühzeitige Supplementierung empfohlen wird.
Folsäure
Aus wissenschaftlicher Sicht kann eine Supplementierung von 400 µg Folsäure (synthetische Form) die Häufigkeit von Fehlbildungen wie den Neuralrohrdefekt um circa 50% bis 70% reduzieren. Allen Frauen mit Kinderwunsch wird deshalb empfohlen, mindestens vier Wochen vor der Empfängnis sowie in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen zusätzlich zur Ernährung 400µg Folsäure täglich in Form eines Supplements zu sich zu nehmen. Folsäurehaltige Lebensmittel sind vor allem grüne Gemüsesorten wie Grünkohl, Spinat, Brokkoli, Lauch, Kohlsprossen. Hülsenfrüchte wie Kichererbsen, Sojabohnen. Getreideflocken wie Weizenkeime, Roggen, Haferflocken. Obst wie Kirschen, Erdbeeren, Weintrauben. Weichkäse wie Camembert und Brie. Leider können während der Lagerung und der Zubereitung der Lebensmittel bis zu 70% des Vitamins zerstört werden, da Folate wasserlöslich, hitzelabil und lichtempfindlich sind.
PRAXISTIPPS:
- Um Zubereitungs- und Lagerungsverluste zu minimieren, sollte man Gemüse und Salate möglichst frisch verzehren, sonst dunkel lagern.
- Gemüse und Salate unzerkleinert und nur kurz, aber gründlich waschen. Nicht wässern.
- Gemüse kurz dünsten (und nicht kochen), das Wasser mitverwenden.
- Gemüse nicht warmhalten, besser zügig abkühlen lassen und kurz vor dem nächsten Verzehr wieder aufwärmen.
Jod
Jod gewinnt während der Schwangerschaft zunehmend an Bedeutung, da es einerseits für die Versorgung des Fetus sowie andererseits für die gesteigerte Bildung des Schilddrüsenhormons Tyroxin bei der Mutter benötigt wird. Sie kennen gewiss Jodsalz, welches für Brot, Fleischwaren und andere Fertigprodukte verwendet wird. In der Schwangerschaft empfiehlt es sich, aus Jodsalz hergestellte Lebensmittel wie Brot etc. zu bevorzugen – je weniger verarbeitet, umso besser. Andernfalls sollte nach ärztlicher Absprache eine Supplementation in Erwägung gezogen werden.
PRAXISTIPPS:
Bereits Frauen mit Kinderwunsch sollten auf eine ausreichende Jodzufuhr achten!
- Basisversorgung mit jodreichen Lebensmitteln decken wie ein- bis zweimal pro Woche Seefisch essen.
- regelmäßig Bio-Milch trinken (Dabei bedenken: Milch ist kein Getränk, sondern ein Lebensmittel.)
- beim Kochen ausschließlich jodiertes Speisesalz verwenden.
- bevorzugt Lebensmittel konsumieren, die mit Jodsalz hergestellt werden.
Eisen
Eisen steigt während der Schwangerschaft erheblich an, da es für den Fetus, die Plazenta und das größere mütterliche Blutvolumen benötigt wird. Unser Körper braucht Eisen, um Sauerstoff zu transportieren und zu speichern.
PRAXISTIPPS:
- In Summe maximal 4 mal pro Woche eine Portion (max. 150 g) Fleisch, fettarme Wurst und/oder Schinken (30 g je Portion) essen.
- Eisenreiche Lebensmittel wie Fleisch (produkte) innerhalb einer Mahlzeit mit VitaminC-reichen Lebensmitteln kombinieren. Zum Beispiel Fleisch mit Kohlgemüse und Kartoffeln oder Hirseauflauf mit Paprika.
- Getränke, die die Eisenresorption hemmen (wie Schwarz-, Grüntee und Kaffee), nicht unmittelbar zu den Mahlzeiten trinken.
- Eisenpräparate nur bei nachgewiesenem Eisenmangel einnehmen.
Vitamin D
Eine ausreichende Vitamin-D-Versorgung der Schwangeren hat einen erheblichen Einfluss auf die Knochenmineralisation des Kindes. Über die tägliche Ernährung erreicht man unmöglich die von der DGE empfohlene Vitamin-D-Aufnahme von 20 µg pro Tag.
Vitamin-D-reiche Lebensmittel sind fette Fische wie Hering und Makrele, Steinpilze und mit Vitamin D angereicherte Margarinesorten.
Aus meiner Beratungstätigkeit mit Schwangeren und der damit verbundenen Blutanalyse kann ich sagen, dass viele Schwangere mit Vitamin D unterversorgt sind und daher zur Abklärung bereits bei Kinderwunsch eine Vollblutanalyse des Vitamin D`s zu empfehlen ist. Schwangere sollten im Winter und auch im Sommer bei Notwendigkeit ihren Bedarf über die Einnahme eines Vitamin-D-Supplements decken.
Bereitschaft zur Verhaltensänderung
In der Schwangerschaft haben viele Frauen eine hohe Bereitschaft, ihr Ernährungsverhalten zu überdenken und im besten Falle mittels professioneller Ernährungsberatung langfristig zu verändern. Das ist großartig! Diese Motivation sollte genutzt werden, um für Mutter und Kind eine optimale Versorgung mit Makro- und Mikronährstoffen während der Schwangerschaft, aber auch langfristig ein verbessertes Ernährungsverhalten in der Familie zu erreichen.
Neben einer nährstoffreichen Ernährung tut einer Schwangeren auch Sport sehr gut. Mit einem Okay von Arzt und Hebamme profitieren sowohl die Schwangere als auch der Fötus davon, welcher dadurch besser mit Nährstoffen versorgt wird. Die Babys sind dann zudem häufiger normalgewichtig und normal entwickelt. Sportliche Schwangeren erreichen viel rascher ihre Muskelkraft, ihr Wohlbefinden sowie Zufriedenheit mit ihrem Körper nach der Geburt.
- Sparsamer Umgang mit Fett: Verwendung hochwertiger Pflanzenöle wie Sonnenblumen-, Kürbiskern-, Raps-, Oliven-, Walnuss-, Lein- und Distelöl.
- Sparsamer Umgang mit Salz (vermindert „Ödemneigung“ und Bluthochdruck), be-vorzugt Kräuter verwenden.
- Meiden von rohen tierischen Produkten (ausgenommen Schnitt- oder Hartkäse) und industriell abgepackten eingelegten Produkten (Salate, eingelegtes Gemüse).Sie können Listerien, Toxoplasmoseerreger oder Salmonellen enthalten. Infektionskrankheiten können in der Schwangerschaft komplizierter verlaufen und die Gesundheit von Mutter und Kind gefährden.
- Achten Sie auf ausreichend körperliche Betätigung. Das stärkt Kreislauf und Immunsystem und wirkt sich auf die Seele positiv aus. Außerdem tut es auch dem Ungeborenen in seiner Entwicklung gut. Ideal sind Sportarten, die nicht mit großen Erschütterungen oder Kraftaufwand verbunden sind. Sanfte Bewegungsabläufe wie Wandern, Radfahren, Schwimmen, Bauchtanz oder Schwangerschaftsgymnastik sind bestens geeignet.
Die richtige Ernährung in der Schwangerschaft trägt wesentlich zum Wohlbefinden und zur optimalen Entwicklung des Kindes bei. Die Schwangerschaft ist aber auch ein Zeitraum, den eigenen Körper wieder besser kennen zu lernen. Geschmacksvorlieben können sich verändern. Möglicherweise trägt dieser Zustand zur Entstehung eines neuen gesünderen Ernährungsstils bei.
Autorin: Mag. Verena Wartmann, Msc.