KaiserschnittErst die Rückbildung, dann der Sport!

„Rückbildung? Nicht notwendig – ich hatte einen Kaiserschnitt.“ Ein Satz, den wir Physiotherapeuten und Hebammen auch in der heutigen Zeit leider immer noch zu oft hören (müssen). Denn auch nach der operativen Entbindung (Sectio Caesare kurz: Sectio) hat der weibliche Körper ein Recht auf Unterstützung während der Regeneration. Er vollbringt ein wahres Wunder und braucht Zeit und professionelle Unterstützung um sich wieder rückbilden zu können, was er zehn Monate lang ermöglicht hat.

Auch bei erfolgtem Kaiserschnitt hat der Beckenboden das zunehmende Gewicht zehn Monate lang getragen, die Bauchorgane wurden von der wachsenden Gebärmutter verdrängt, der gerade Bauchmuskel hat sich um 15 bis 20cm verlängert und bildet einen mittigen Spalt um Platz für das Kind zu schaffen. Auch stabilisierende Bänder im Inneren haben ein Vielfaches an Länge zugelegt.

Je nachdem ob es ein geplanter, ungeplanter oder Not-Kaiserschnitt war, wird auch der Beckenboden belastet und gedehnt, wenn auch das Kind nicht (komplett) durchtritt.

Wie unterscheiden sich die verschiedenen Arten von Kaiserschnitten?

Ein geplanter Kaiserschnitt kann gewünscht sein, kann aber auch im Vorfeld medizinische Gründe aufweisen. Dieser wird bei komplikationsfreier Schwangerschaft zirka eine Woche vor dem errechneten Geburtstermin durchgeführt. Es kommt in der Regel dadurch zu keiner Eröffnungsphase – das heißt KEINE Wehen. Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel, da die Natur sich keinem Terminkalender unterstellt.

Ein ungeplanter Kaiserschnitt wird bei Geburtsstillstand durchgeführt. Dies kann diverse Gründe haben. Ein Kreuzstich bei der Mutter ermöglicht die operative Entbindung bei vollem Bewusstsein und auf diese Weise kann das Baby sofort in den Arm genommen werden.

Der Not-Kaiserschnitt, wird, wie der Name schon sagt, in einer Notsituation für Mutter und/oder Kind durchgeführt. In diesem Fall operiert man in Vollnarkose, da die Ärzte in dieser (meist) lebensbedrohlichen Situation unter Zeitdruck stehen und diese Art der -Anästhesie in wenigen Minuten ihre Wirkung zeigt.

Alle drei Varianten inklusive der spontanen Geburt haben eine große Gemeinsamkeit! Sind Mutter und Kind wohlauf ist JEDE ART DER GEBURT DIE RICHTIGE!

Der Weg zurück in den bewegten Alltag

Die ersten Tage

Geht es dir den Umständen entsprechend gut, kannst du bereits nach einigen Stunden das erste Mal aufstehen. Eine Physiotherapeutin, Krankenschwester oder auch Hebamme wird dich dabei unterstützen. Du wirst im ersten Schritt lernen dich über die Seite aufzusetzen. Dies solltest du beibehalten, da dein gerader Bauchmuskel in den meisten Fällen noch eine Lücke aufweist. Dies tut er nach jeder Art der Geburt und es ist wichtig ihn nicht zu vergrößern. Da Rücken- und Bauchmuskulatur im Gegenspiel arbeiten ist es wichtig, dass beide Muskelgruppen genügend Kraft haben. Durch den Spalt kommt es aber zu einem Ungleichgewicht, das unter anderen Kreuzschmerzen hervorrufen kann. Zusätzlich kann es in seltenen Fällen zu einer Einklemmung der Darmschlingen kommen. Daher sollte der Bauchmuskel in der ersten Zeit geschont werden. Nach dem erfolgten Kaiserschnitt und der damit verbundenen Naht wirst du die Anspannung intuitiv meiden. Auch das Aufrichten im Stehen fällt im ersten Moment noch nicht ganz leicht. Versuche dennoch von Anfang an dich so gut es geht aufzurichten. Orientiere dich immer am Schmerz und lass dir Zeit. Es wird mit jedem Mal einfacher werden!

Wenn es dir hilft kannst du dir angewöhnen bei allen Lagewechseln die Naht zu fixieren (sanfter Druck mit einer Hand). Dies ist ein gut gemeinter Rat – in der Praxis wirst du jedoch meistens dein Kind in den Armen halten. Versuche dennoch vor jeder Bewegung, die unangenehm werden könnte, ruhig und tief in den Unterbauch zu atmen, verlängere vor allem die Ausatmung.

Besonders bei ruckartigen Bewegungen wie Husten, Niesen und Lachen kann sich die Naht unangenehm anfühlen. Auch in diesem Fall kannst du sie mit einer freien Hand fixieren oder versuchen die Wundränder sanft anzunähern. TRAU DICH von Anfang an hinzugreifen. Jetzt ist ohnehin noch der Wundverband zwischen deinen Fingern und der Naht, so kannst du dich langsam daran gewöhnen. Meistens hat man äußerlich keine Nähte mehr. Sobald die Narbe schön abgeheilt ist, meist um den zehnten bis zwölften Tag, kannst du beginnen sie sanft abzuheben und zu verschieben. Es gibt einige Möglichkeiten eine Narbe zu behandeln, sie zu entstören und die einzelnen Gewebsschichten wieder gleitfähig zu machen. Ein Beispiel wäre Taping. Mittels Kinesio-Tape (vom Profi angelegt) kann man die Narbe etwas fixieren und gleichzeitig die Durchblutung anregen um so die unteren Gewebeschichten geschmeidig zu machen.

Auch um deinen Beckenboden zu schonen, solltest du dir angewöhnen „nach hinten“ über die Schulter zu niesen, oder in deinen angewinkelten Ellbogen. Dies nimmt den Druck nach unten, der unangenehm sein könnte und vielleicht mit ein/zwei Tröpfchen im Höschen endet. Wie bereits erwähnt, hat auch dein Beckenboden viel geleistet und darf nach 10 Monaten Zusatzgewicht und eventueller Dehnung auch mal müde sein. Ganz besonders wenn es nicht dein erstes Kind ist. Versuche auch wirklich nur dein Kind – immer körpernah – zu tragen. Keine anderen Lasten. Dein Beckenboden und dein Rücken werden es dir danken.

Um deine Gebärmutter in ihrer Regeneration zu unterstützen bietet sich ab dem dritten/vierten Tag die halbe Bauchlage an. Du brauchst eine hüfthohe Unterlage, am besten das Krankenbett ganz hochfahren, dann legst du dir ein weiches Kissen unter den Bauch und versuchst sanft deinen Oberkörper abzulegen. Versuche ruhig weiter zu atmen und die Ausatmung etwas zu verlängern. Funktioniert dies gut, kannst du versuchen tief in den Bauch zu atmen und auf „fffff“ lange auszuatmen. Diese Lippenbremse spricht schon deinen Beckenboden an und unterstützt auch ihn von Anfang an in seiner Regeneration. Die halbe Bauchlage kannst du ab jetzt täglich ein bis zwei Mal durchführen und die Dauer (starte mit ein bis zwei Minuten) auf bis zu zehn Minuten steigern. Auch deine Nachblutung unterstützt du damit. Diese kann zwischen zwei und sechs Wochen andauern. In der Regel nach einem Kaiserschnitt etwas kürzer.

Solltest du dein Kind stillen, wirst du bemerken, dass es beim Anlegen im Beckenboden zieht. Das sind Nachwehen. Die Gebärmutter kontrahiert und verkleinert sich dadurch.

Beim ersten Stuhlgang, der meistens etwas auf sich warten lässt, wird dir bewusst werden, dass du deine Bauchmuskeln, die du für die Bauchpresse, das „Drücken“, brauchst, noch nicht gut anspannen kannst. Versuche dich in erster Linie zu entspannen. Am besten wenn dein Partner beim Baby ist und du einen Moment Ruhe hast. Versuch dein Becken so zu kippen, dass dein unterer Rücken rund wird und dein „Po ins Klo“ schaut. Um passiv Druck nach unten zu erzeugen, versuche tief ein- und auszuatmen.

Allgemein gilt für die ersten Wochen Ruhe und Erholung. Lerne dein Kind kennen und genieße das Familienleben. Da sich die Hormone jetzt wieder auf „nicht (mehr) schwanger“ umstellen, kann es in der Gefühlswelt schon mal rund gehen.

Geht regelmäßig an der frischen Luft spazieren. Dies regt den Kreislauf an und die Bewegung unterstützt deine Rückbildung. Versuche deine Atmung zu vertiefen, stell dir vor bis unter die Narbe zu atmen.

Nach drei bis fünf Wochen kannst du mit intensiverer Rückbildung beginnen.

Drei kleine Übungen für zu Hause

Um den Beckenboden zu trainieren solltest du dir einmal am Tag zehn Minuten Zeit nehmen und wirklich konzentriert arbeiten. Wenn es um den Beckenboden geht, arbeitet man viel mit der Vorstellungskraft. Stelle dir vor eine Murmel zu umschließen und diese sanft hochzuziehen. Versuche es zuerst vaginal und anal gleichzeitig und dann getrennt und im Wechsel. Dies erfordert schon etwas Übung. Wiederhole jede Übung 25 bis 30 Mal zu drei Sätzen oder orientiere dich nach Erschöpfung und Konzentrationsverlust.

Um den Spalt zwischen deinem geraden Bauchmuskel wieder anzunähern (ein bis eineinhalb Querfinger sind normal) kannst du im ersten Schritt deine seitlichen Bauchmuskeln trainieren.

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Ein Beispiel: Leg dich auf die Seite mit angewinkelten Knien. Während der Ausatmung hebst du dabei deinen Körper vom Boden ab. Gelingt es dir noch nicht so gut stemmst du die Faust des oberen Armes in den Boden. Wiederhole dies drei Mal zu je 15 bis 20 Wiederholungen.

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Um deinen Rücken und deine Beine zu kräftigen bietet sich die hüftbetonte Kniebeuge an. Bei dieser Art der Kniebeuge achtest du besonders darauf dass du dein Gesäß gut nach hinten wegstreckst und dein Rücken gerade bleibt.

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Unterarmstütz und Kniestand

Während der Rücken gerade bleibt versuchst du während der Ausatmung die Knie leicht vom Boden abzuheben. Stell dir vor, wie der Unterbauch kurz wird und sich Schambein und Nabel annähern, OHNE die Wirbelsäule zu bewegen. Zusätzlich wird der Oberbauch ganz schmal (der Rippenbogen wird enger). 10 bis 15 Wiederholungen zu drei Sätzen ist meine Empfehlung für diese Übungen – wichtiger ist aber bei jeder Übung die korrekte Durchführung – verlässt dich die Kraft – mach Pause!

Die ärztliche Nachuntersuchung

Nach sechs bis acht Wochen hast du deine Nachuntersuchung beim Gynäkologen. Hier wird beurteilt ob sich deine Gebärmutter wieder gut zurückgebildet hat und ob sonstige Beschwerden vorliegen. Wenn alles passt, bekommst du deine Freigabe zum Sport. Dies bedeutet, dass du intensivere Übungen machen darfst um deine gesamte Rumpfkapsel, also Bauch- Rücken- und Beckenbodenmuskulatur wieder zu kräftigen. Es empfiehlt sich, besonders nach einem Kaiserschnitt, der eine große Belastung für Körper und manchmal auch für die Seele ist, dies unter professioneller Anleitung zu machen. Viele Ärzte haben medizinische Kooperationspartner deren Rückbildungsprogramme sie dir empfehlen können.

Worauf solltest du achten?

Starte erst nach acht Wochen mit intensiverem Training sofern du dich gut fühlst und du weitgehend beschwerdefrei bist. Der Körper braucht diese Zeit um sich von der Operation zu erholen. Die einzelnen Muskel- und Gewebeschichten der Operationsnarbe brauchen ihre Zeit um wieder „trainingsstabil“ zu sein. Du hilfst ihnen mit den sanften Übungen der ersten Wochen ihre Fasern wieder richtig auszurichten und an Stabilität zu gewinnen.

Laufen und hochintensives Training solltest du noch meiden. Dafür muss dein Körper erst vorbereitet werden. Gut geeignet zum Start sind schnelle Spaziergänge mit Kinderwagen (du kannst auch das Tempo variieren und so ein Intervalltraining machen) und Kraft-Ausdauer-Übungen.

Besonders Ganzkörperübungen mit Eigengewicht empfehlen sich für den Start. Sie sind effektiv, lassen sich fast überall durchführen und sprechen viele Muskelgruppen an. Besonders Plank-(Unterarmstütz)Variationen sind großartige Übungen. Zum Start solltest du knieend stützen um deinen Bauchmuskel noch etwas zu entlasten. Auch im Seitstütz kannst du zuerst mit angewinkelten Knien starten. Achte während dem Training und auch am Tag danach darauf ob du deinen Bauch, die Narbe oder auch den Beckenboden spürst oder etwas anders ist. Dein Beckenboden sollte Sprünge wie auch Laufen am Stand (3 mal 30 sek) tolerieren und auch kein Tröpfchen abgeben. Auch den Spalt deines geraden Bauchmuskels (medizinisch: Rectusdiastase) kannst du „überwachen“. Lege dich ausgestreckt auf den Boden – hinlegen IMMER noch über die Seite! Strecke deine Beine aus und hebe deinen Kopf jetzt an. Nun taste mit Mittel- und Zeigefinger vom Rippenbogen bis zum Nabel den Spalt entlang. Meistens ist er unter dem Nabel bereits geschlossen, da wir hier einen starken Muskel haben der ihn schließt. Der Bereich um den Nabel schließt sich als Letztes. Er verringert sich besonders über das Training der schrägen beziehungsweise seitlichen Bauchmuskeln. Sehr wichtig ist auch die Form deines Nabels. Ist er nicht mehr wie vor der Schwangerschaft, weise bitte deinen Arzt, deine Hebamme oder deine Physiotherapeutin darauf hin.

Nach 16 Wochen…

..darfst du rein medizinisch wieder beginnen zu Laufen, wenn du dich bereit fühlst! Ein sanfter Einstieg ist wichtig. Beginne mit Intervalltraining und wechsle zwischen Walken und Laufen. Die Laufintervalle sollten sehr langsam starten und der Oberkörper sollte möglichst ruhig bleiben können – auch im Hinblick auf den Beckenboden. Du solltest jetzt folgende Voraussetzungen erfüllen können: Der Bauchmuskel sollte nun die ein bis eineinhalb Querfinger erreicht haben, der Beckenboden stabil und deine Narbe schon etwas blasser, gut verschieblich und beschwerdefrei sein! Dies ist wichtig, da eine schlecht verheilte Narbe auch Spätfolgen haben kann. Beispielsweise können Rückenbeschwerden damit in Verbindung stehen. Das Training der Rumpfkapsel steht nach wie vor im Fokus. Einen stabilen Rumpf benötigst du für fast jede Sportart und obendrein sieht er auch besser aus.

Du hast noch Fragen? Du möchtest unter professioneller Leitung mit Gleichgesinnten trainieren und dich auch motivieren lassen? Gemeinsam mit deinem Kind an der frischen Luft kannst du in der Running Clinic – Outdoor Workout für Schwangere und Mütter nach acht Wochen ins medizinische Rückbildungstraining einsteigen. Das Team freut sich auf dich!

Autorin: Franziska Malle, Bsc Bsc