LeseförderungGESCHICHTEN VORLESEN FÖRDERT FANTASIE UND BEZIEHUNG

Seit Sebastian ein Dreivierteljahr alt ist, haben sich Stefanie und Eric vorgenommen, mit dem Kleinen jeden Abend ein Bilderbuch anzusehen. Am Anfang war das ungewohnt, denn der junge Mann konnte nur auf die Bilder zeigen und versuchen, die Laute nachzuahmen. Dieses Ritual einzuführen hat trotzdem Entspannung in die Familie gebracht.

Sarah (3,5) und ihre kleine Schwester ­Melanie (2) sehen sich in jeder freien Minute Bilderbücher an. Meist möchte die Große die Sätze vorgelesen bekommen, die Kleine hingegen ist mit dem Buch und sich selbst hoch zufrieden.

Elias (5) liebt es, wenn ihm seine Oma ein Lieblingsbuch vorliest. Er kennt den Text inzwischen auswendig und jedes Mal, wenn sie ein falsches Wort liest, dann ist er vollkommen entrüstet und hat seine helle Freude damit, das Vorgelesene auszubessern.

Vorlesen von Anfang an

Alle Menschen mögen Geschichten, Kinder haben diese ganz besonders gern. Gerade die Kleinen verfügen meist über viel Fantasie und finden gerade in den ersten Lebensjahren Vieles spannend. Sie sind leicht zu begeistern und spüren, wenn Eltern und Bezugspersonen mit voller Begeisterung bei der Sache sind. Vorlesen und später selbst lesen macht Kinder kompetent und schlau.

Vom Bild zum Text

Die ersten Bilderbücher für Kinder sind einfach und eigentlich immer gleich aufgebaut. Diese kommen ganz ohne Text aus und beinhalten eine Abbildung pro Seite. Manchmal gibt es Bücher, die mit Fühlelementen ausgestattet sind oder einen Ton durch Drücken erzeugen können. Hier passiert viel: Dem Kind wird durch den Erwachsenen beim Beschreiben dessen, was zu sehen ist, eine Welt neuer Wörter eröffnet und der passive Wortschatz wird somit unendlich erweitert. Mit zunehmendem Alter können diese Bücher auch etwas komplexer ausfallen oder es werden Bücher zum Aufklappen gekauft. Diese machen das Erlernen von Wörtern oder das Verstehen von einfachen Zusammenhängen durchaus lustvoller und spannender. Ab wann es gut möglich ist, mit dem Kleinkind Bilderbücher anzusehen, hängt vom jeweiligen Kind ab.

Kinder lieben Rituale

Für die Kleinen ist es nahezu fast immer möglich, sich ein Buch anzusehen. Jedoch kann es sein, dass das gemeinsame Betrachten eines Buches von Erwachsenem und Kind häufig an bestimmte Zeiten gebunden ist. Oftmals bietet es sich gerade wie von selbst an, das Vorlesen in das Abendritual aufzunehmen, wenn das Kind zur Ruhe kommt und allgemein Entspannung in der Familie einkehrt. Genauso kann dies beim Mittagschlaf eine gute Möglichkeit für das Kleinkind sein, zur Ruhe zu kommen und besser einschlafen zu können. Wie schön ist es doch, am Abend aneinander gekuschelt noch ein Buch zusammen anzusehen und später zu lesen.

Nicht nur kleine Kinder lieben es, die Vertrautheit zusammengekuschelt am Sofa oder auf dem Bett und die uneingeschränkte Aufmerksamkeit durch die Eltern sowie Bezugspersonen zu genießen. Störungen wie ein Radio im Hintergrund oder das summende Mobiltelefon sind dabei zu vermeiden, da diese das innige Zusammensein, das dabei hilft, die Bindung und Beziehung zwischen Kind und Bezugsperson zu festigen, stören. Je öfter Kinder diese Möglichkeit des vertrauten Miteinanders erfahren, desto häufiger werden sie danach verlangen.

Die individuelle Entwicklung jedes Kindes

Jedes Kind ist anders und damit verläuft auch die Entwicklung des jeweils einzelnen Kindes unterschiedlich. Da ist bei dem einen die Sehnsucht nach der Kuscheleinheit größer, bei anderen die Auseinandersetzung mit dem Buch.

Kinder sind neugierig. Einfach von vorne nach hinten ein Buch anzusehen, wird in den meisten Fällen nicht funktionieren. Kinder wollen selbst entdecken und erzählen. Die Abwechslung von einfachen Bilderbüchern ermöglicht dem Kind den Aufbau eines großen Wortschatzes.

Mehr Abwechslung schafft von Anfang an einen offenen Umgang mit dem Lesen und der Auseinandersetzung mit Büchern. Der Zugang sollte einfach sein: Ein Regal, in dem Bücher stehen und jederzeit herausgenommen werden können, schafft einen natürlichen Umgang mit dem Medium Buch.

Eltern und Bezugspersonen als Vorbilder

Eltern und Bezugspersonen dienen dem Kind in jeder Hinsicht als Vorbilder. Kleinkinder, die Erwachsene lesen sehen, imitieren dies wie selbstverständlich. Bücher gehören als das, was sie sind, verwendet: Gebrauchsgegenstände für den Alltag.

Es ist zu beobachten, dass kleine Kinder sich gern mit dem beschäftigen, womit sich ihre Umwelt befasst. Die Nutzung von digitalen Geräten und Unterhaltungselektronik sollte sorgsam überlegt sein, denn kleine Kinder sind überfordert von viel zu schnellen Bildabfolgen und Inhalten, die diese Medien oftmals bereitstellen. Kinder beobachten ihre Umwelt und damit auch das Erwachsenenverhalten.

Bücher erzählen oftmals nicht nur spannende Geschichten, sie liefern mitunter Wissen und regen nicht nur die Fantasie der Kinder an. Im Gegensatz zu den digitalen Medien ist es beim Vorlesen und Lesen möglich, sich im Tempo dem Kind anzupassen.

Jeden Abend das gleiche Buch

Kinder mögen es in manchen Phasen ihrer Entwicklung, Dinge immer wieder und gleich zu tun. Dies bringt in das Leben der Kleinen Ruhe und Beständigkeit, nebenbei werden Wissen und Neues wie ganz von allein gefestigt und wiederholt.

Da es wichtig ist, im Alltag Beständigkeit zu haben, werden von Kindern oftmals die gleichen Bücher zum Vorlesen oder Miteinanderlesen gewählt. Kleine Kinder wollen beim Vorlesen mitreden, weitererzählen, zurück oder nach vorne blättern und sie stellen Fragen. Das Vorlesen dient daher auch dazu, eine Gesprächskultur miteinander zu entwickeln. Aber nicht nur das, es erweitert die Möglichkeit der Nutzung von Sprache, fördert die Aussprache und ermöglicht das Anwenden neu gelernter Wörter. Die Alltagssprache kann hier spielerisch gefestigt und erweitert werden.

Aber nicht nur der Beständigkeit und des Wiederholens wegen mögen Kinder immer wieder die gleiche Geschichte vorgelesen bekommen. Womöglich ist es eine besonders lustige Stelle in dem Buch, die dem Kind gerade gut gefällt oder aber es findet darin Themen, mit denen es sich selbst auch gerade beschäftigt. Manchmal macht es dem Nachwuchs auch einfach Freude, die Geschichte selbst zu Ende zu erzählen.

Damit Eltern und Bezugspersonen nicht in Langeweile verfallen, gibt es die Möglichkeit, eine Figur auszutauschen oder einen anderen Ort zu erfinden. Hier stellen die Erwachsenen oft fest, dass das Kind auch Spaß daran haben kann, sie zu korrigieren oder die Geschichte entsprechend mitzugestalten.

Neugierde und Fantasie des Kindes anregen

Damit das Vorleseritual auch spannend bleibt, die Figuren für die Kinder zum Leben erweckt, die Neugierde angeregt und ein klein wenig Spannung erzeugt werden kann, gibt es stimmliche Tricks, die Eltern und Bezugspersonen sehr gut einsetzen können. Man kann die Stimme senken und erhöhen, das Vorlesetempo der Handlung anpassen oder aber auch Laute und Geräusche einbauen, die gar nicht im Buch beschrieben sind. Mia, die Katze, kann miauen oder Bello, der Hund, kann kläffen. Selbstverständlich kann der Bär auch brummen oder die Fee eine glockenhelle Stimme erhalten. Vorlesen fördert nicht nur die Kreativität der Kinder, sondern auch jene der Erwachsenen.

Identifikation mit den Protagonisten

Welche Bücher und Geschichten Eltern und Bezugspersonen auswählen, sollte sehr stark von den Interessen und der Entwicklung des Kindes abhängig sein. Eine gute Richtschnur ist es, wenn die Protagonisten der Geschichte in etwa gleich alt sind wie das Kind oder die Erlebnisse des Kindes zu denen des Buches passen, wie zum Beispiel der erste Kindergartenbesuch oder der Besuch beim Arzt. Meist stellen Verlage für die Erwachsenen eine Altersangabe zu den Kinderbüchern bereit.

Mehrere Bücher zur Auswahl

Schön ist es, wenn Kinder mehrere Bücher zur Auswahl haben. Wer gerne Abwechslung hat und immer wieder neue Geschichten mit dem Nachwuchs entdecken möchte, kann seinem Kind auch bei einem Ausflug in die Bibliothek einen Zugang zu unzählig vielen Büchern eröffnen ¬– nebenbei schont dies auch die Geldbörse.

Egal, ob geliehene, geschenkte oder selbst gekaufte Bücher mit mehr oder weniger Bildern bzw. geschriebenem Text: Vorlesen und selbst Lesen macht Spaß, bereichert den Alltag, lässt Geschichten im Kopf entstehen und Kinder sowie Erwachsene in die Fantasiewelt eintauchen.

Autorinnen: Dipl.- Päd. Andrea Leidlmayr, BEd & Mag. Christine Strableg