Papa-PräsenzDER PIN-CODE zum GLÜCK

Als ich noch Spitzensportler war, da war für mich das Wichtigste – vor allem vor den wichtigen Rennen bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften – vor Mitternacht möglichst viel Schlaf zu bekommen. Ich hielt das für ein wesentliches Erfolgskriterium, um im entscheidenden Moment X Höchstleistung erbringen zu können. Jetzt ist es 22 Uhr. Ich habe die Küche halbwegs in ihren Normalzustand zurückverwandelt. Davor habe ich unsere Töchter Hannah und Teresa ins Bett gebracht. Davor habe ich ihnen vorgelesen, das Sandmännchen führt die Bestsellerliste an. Davor: Baden, Zähneputzen, Pyjama. Davor haben wir Vollkornnudeln mit Sugo gegessen. Zu dritt. Die Mama? Die hat jetzt zum ersten Mal, seit die Mädls auf der Welt sind, ganze drei Tage für sich, ist mit Freundinnen weggefahren und der Zyklus ihrer Abfrage „Na, wie geht´s euch denn?“ wird länger.

22.10 Uhr. Ich beginne jetzt mit einer Arbeit, auf die ich mich freue. Reflexion der Frage: Was heißt Vater-sein für mich? Gibt es ein spannenderes Thema? Ein idealeres Setting, als meine „100% Papa Days“, wie sie im Kalender stehen? Nein! Vormitternachtsschlaf? Wird überschätzt. Ich bin im Flow. Hannah hat beim Nudel-Essen gesagt: „Duuuu, Papa: Du kannst eigentlich eh ganz gut kochen.“ Olympiasieger, Weltmeister, Weltcupsieger ist gut; ausgezeichneter Haubenkoch von Vollwertnudeln mit Bio-Sugo für zwei Prinzessinnen schöner. 

22.30 Uhr. Es ist still. Das höre ich, weil ich am Babyphone nichts höre. Um mich davon zu überzeugen, dass ich richtig höre, wenn ich nichts höre, schaue ich – gefühlt alle zehn Minuten – zu den Mäusen ins Zimmer. Da liegen sie in ihren Bettchen. Atmen ganz ruhig, schlummern ganz friedlich, beide mit ihren Wangen eng an ihre Lieblingskuscheltiere geschmiegt. Hannah hat ihr nacktes, linkes Fusserl aus dem Gitterbett gestreckt. Sieht nicht so gemütlich aus. Vielleicht auch zu kühl? Lieber wieder zudecken. Unmittelbar ein wohliger, tiefer Seufzer. Ich lächle. Für mich alleine. Tief in mich hinein. 

Pures Leben

Ich habe in meinem Leben so viel Schönes erlebt. Intensive, emotionale Momente, die nur wenigen geschenkt sind: Bei Olympischen Spielen eine Goldmedaille zu gewinnen, dir zu Ehren spielen sie die Bundeshymne, Millionen Menschen schauen auf dich, das bleibt dir in jeder Zelle. Ist das vergleichbar mit dem, was so ein scheinbar alltäglicher Blick ins Kinderzimmer in mir in Resonanz bringt? Nein! Ist damit nicht vergleichbar. Hier schlafen Hannah und Teresa, unsere Töchter. Pures Leben. Volles Potential. Zwei eigenständige Menschen, die wir als Eltern auf ihrem Weg begleiten dürfen. Sie sind gesund. Wir sind gesund. Es geht uns in jeder Hinsicht gut. So viele liebevolle Menschen in unserem Umfeld, die dazu einen Beitrag leisten. Es braucht ein Dorf, um Kinder gut aufwachsen zu lassen. Und irgendwie ist alles und jeder in diesem Moment präsent in der Stille des Kinderzimmers. PRÄSENZ – der so einfach zu lernende und leicht zu merkende PIN-Code fürs Glück. Die Menschen, die schon bei mir in Vorträgen und Seminaren waren, wissen, was ich meine…

Quality Time

23.30. Ich bin hundemüde und hellwach. Ist man Mutter oder Vater, hält man das nicht für ein Paradoxon – sondern lernt es als Zustand zu akzeptieren. Ich war davon schon fasziniert, bevor ich selbst Vater wurde. In meine Seminare in Loipersdorf kamen von Beginn an nämlich auffällig viele ziemlich frischgebackene Mütter, die ihre erste „Quality-Time“, den ersten „Freigang“ nach der Stillzeit und der wiedererlangten relativen Eigenständigkeit, wenn Kids schon bei Papa oder Oma bleiben können, ausgerechnet als Kombination aus Seminarteilnahme und Wellness-Programm feiern wollten.

Eine dieser Mamas hat mir ein Familienfoto geschickt mit folgenden wahren Zeilen: „Ich habe einem Kind das Leben geschenkt. Das ist das größte Geschenk des Lebens. Der Neugeborene ist in einem Jahr ein richtiger Bub geworden ;-)) Die Quality-Time bei dir im Seminar war wie eine Neugeburt für mich. Weil ich erkannt habe: Für mein Kind und meinen Partner gut da sein, heißt, für mich selbst gut da zu sein und umgekehrt. Selbst wenn sich an einem Tag nur bewusste 10 Minuten für mich ausgehen: die Anwendung der Techniken, die ich bei dir gelernt habe, wirkt jedes Mal und macht aus wenig Zeit sehr viel. Danke!“

Ich habe mich über dieses Feedback sehr gefreut. Weil es so am Punkt ist und mitten aus dem Leben kommt: Unser Tag hat 24 Stunden und es gibt nur 365 pro Jahr davon. Lebenszeit sinnvoll nützen bleibt ein Balanceakt. Das Einzige, worauf wir wirklich Einfluss haben, ist: Wir können trainieren, auf den Unwägbarkeiten des Lebens besser zu balancieren! Die Voraussetzung dafür ist inneres Gleichgewicht. Das wiederum ist nie ein Zustand, sondern bleibt zeitlebens ein Prozess – wir fallen immer wieder raus und die Chance ist, immer schneller wieder in die Balance zurückzufinden. Daran entscheidet sich vieles.

Perspektivenwechsel

Seit ich selbst Vater bin, bin ich sozusagen im Dauer-Selbsttest meiner eigenen Methoden. Elternschaft ist zunächst einmal ein Perspektivenwechsel vom gewohnten Ich und Wir zu einem neuen Du. Eine neue Dimension an Verantwortlichkeit. Vor allem am Anfang – Kinder brauchen 100 Prozent Aufmerksamkeit, weil sie zu 100 Prozent von uns abhängig sind. Und weil alles, was wir für sie tun oder nicht tun, 100 Prozent ihrer Wirklichkeit formt. Was speziell für Mamas (aber natürlich auch für ambitionierte Papas) bedeutet: Nachdem es von keiner Qualität mehr als 100 Prozent gibt, auch von der liebevollen Zuwendung den eigenen Kindern gegenüber, braucht es einen neuen Aufteillungsschlüssel für eigene Ressourcen!

Leichter gesagt, als getan. Nachdem unsere beiden Töchter mit nur 17 Monaten Altersunterschied auf die Welt gekommen sind, wir sie ohne Nanny (mit toller Unterstützung der Oma!) betreuen und Hannah vorerst nur einen Nachmittag in der Woche bei einer Tagesmutter eine kurze Auszeit von ihrer kleinen Schwester genießt, sind wir die meiste Zeit über alle zusammen. Ja, es gibt die Tage, da sind tatsächlich nicht viel mehr als zehn Minuten Netto-Eigenzeit für einen selbst drin. Und die Abende, an denen nicht einmal ich mir mehr die Stirnlampe aufsetze, um noch eine Stunde laufen zu gehen, weil ich zu müde bin. Es ist mir auch bewusst: Gemessen an den schwierigen Voraussetzungen, unter denen Alleinerziehende das Leben mit ihren Kindern teilweise gestalten müssen, ist meine Lebenssituation in einer Familie mit zwei Kleinkindern, wo mir meine Partnerin den Rücken freihält, purer Luxus. Das weiß ich und das weiß ich sehr zu schätzen.

Trotzdem, und umso mehr, nachdem ich in unseren Seminaren, aber auch in den Management-Trainings in Unternehmen (dort vor allem die Männer!) so viele treffe, die ihre Eltern- und ihre anderen Rollen gut unter einen Hut bringen wollen: Niemand von uns – auch keine Mutter, kein Vater – ist ein Perpetuum mobile. Wir brauchen Zeiten und Rituale, wie wir unsere inneren Akkus immer wieder neu laden können. BEVOR sie vollkommen entleert sind. Und lieber jeden Tag ein bisschen, als wir schieben es immer auf den nächsten Horizont, das nächste Wochenende, den nächsten Urlaub. Für eine Atemübung zwischendurch bleibt immer Zeit. Für Bewegung an der frischen Luft – idealerweise mit den Kindern gemeinsam – auch. Eines sollte uns mit Blick auf eine glückliche Zukunft unserer Kinder klar sein: Wir sind ihre ersten und größten Vorbilder, durch das, was wir ihnen vorleben. Auch wenn sie es nicht kognitiv erfassen können, gerade in ihren ersten Jahren sind unsere Kinder wie Mini-Festplatten, die alle Dynamiken und Befindlichkeiten ihres Umfeldes (ihrer Eltern) aufnehmen, speichern und daraus Lebensprogramme machen…

Das Erfolgsprinzip des Lebens

Kinder: größtmögliches Geschenk und größtmögliche Verantwortung. Selbstanspruch auf Perfektion ist zwecklos! Denn Elternsein heißt für mich vor allem: von Kindern über sich selbst und das Leben mehr zu lernen. Was Liebe ist. Was Hingabe bedeutet. Wie wichtig Staunen ist. Dass das einzig wahre Erfolgsprinzip des Lebens 1+1 = 3 heißt – immer wieder den neuen Anlauf zu unternehmen, um aus einem Nebeneinander Miteinander und aus einem Miteinander ein Füreinander zu formen. Kein Zufall, dass dieses Prinzip auch in Unternehmen für den größten positiven Effekt sorgt, wenn es gelingt, es in Köpfen und Herzen (dort vor allem) zu integrieren.

Sicher ist: Kinder zu haben ist die beste Übung im Alltag, um beziehungsfähig(er) zu werden. Auch mit uns selbst. Einladen, bestärken, inspirieren – so lernen nicht nur unsere Kinder, das ist auch der Schlüssel für den Umgang mit uns selbst, wenn wir gute Eltern sein wollen. Und das wollen wir. Alle. Aus tiefstem Herzen.

Wui, 01.15. Text fertig. 100 % Papa Days. Hannah wird gegen 6 Uhr zu mir ins Bett kraxeln. Ihre kleine Schwester – sagt, wann sie bereit für einen neuen Tag ist. Soll ich jetzt noch den Tisch fürs Frühstück decken? Egal. Ich schau noch einmal kurz zu den Kleinen. Sie schlafen. Teresa lächelt ein bisschen. Ich auch. Für mich allein. Und tief in mich hinein.

Autor: Felix Gottwald