Phänomen der DreimonatskolikenUnruhezustände und Blähungen bei Babys

Junge Eltern können ein Lied davon singen: Abend für Abend stundenlanges Geschrei mit angezogenen Beinchen, und man selbst steht hilflos daneben und kann seinem kleinen Schatz kaum helfen. Auch wenn es Ihnen angesichts des anhaltenden Schreiens nicht so erscheinen mag: Ihre Nähe tröstet Ihr Baby, wirkt beruhigend und macht es Ihrem Kind etwas leichter, mit dem Unwohlsein fertig zu werden. Die sogenannten Dreimonatskoliken können verschiedene Ursachen haben, wobei nicht immer blähende Nahrungsmittel der Auslöser sind.

Der Darm ist meist noch unreif

Die einfachste und naheliegendste Erkenntnis ist, dass der Verdauungstrakt des Neugeborenen noch nicht ausgereift ist und sich erst nach und nach an die Ernährung außerhalb des Mutterleibes gewöhnen muss. Circa 10–20 % aller Neugeborenen sind von den Blähungen in den ersten drei Lebensmonaten betroffen (hört man sich allerdings im Freundeskreis um, so scheinen es viel mehr zu sein …). Gedeiht der Säugling ansonsten gut und nimmt regelmäßig zu, muss man sich als Elternteil schon einmal keine Sorgen um gesundheitliche Ursachen machen. Immerhin nimmt ein neugeborener Mensch täglich bis zu 15 % seines Gewichtes an Nahrung zu sich. Das sind ungeheure Mengen, und tatsächlich sind das menschliche Wachstum und die Entwicklung nie wieder so rasant wie im ersten Lebensjahr.

Unruhe im Umfeld macht Stress beim Säugling

Neben einer allfälligen Darmunreife spielt auch Unruhe im Familienkreis eine große Rolle. Obwohl noch nicht restlos erforscht ist, warum gerade die Abendstunden zu Schreistunden werden (abgesehen davon, dass sich bis dahin doch einige Fütterungen summiert haben), ist die Tatsache nicht zu vernachlässigen, dass sich meist am Abend die ganze Familie versammelt und für Turbulenzen sorgt. Ebenso können Stresshormone – ­allen voran das Adrenalin, das die Mutter über die Muttermilch dem Säugling weitergibt – zu Verdauungsbeschwerden führen. Auch der in der Muttermilch enthaltene Milchzucker kann als Ursache für Dyspepsien angesehen werden, zum Beispiel durch ein zu häufiges Nuckeln der milchzuckerreichen Vormilch und zu wenig kräftiges Nachtrinken der fetten Nachmilch, wie es oft bei trinkschwachen Säuglingen vorkommt, die gerne an der Brust einschlafen.

Blähungsursache Luftschlucken

Aber auch gierige Babys, die viel Luft schlucken, gehören zu den Blähern, besonders wenn dazu noch ein heftiger Milcheinschussreflex kommt, der gleich einmal zum Verschlucken führt. In diesem Fall empfiehlt es sich, zunächst ein bisschen Milch auszudrücken, bevor das Baby angelegt wird. Öfters aufstoßen lassen ist die Regel Nummer eins bei der Fütterung kleiner Babys. Auch sollten Blähstoffe in der Nahrung der stillenden Mutter für die vorgesehene Stillzeit auf alle Fälle vermieden werden. Dazu gehören Zwiebel, Knoblauch, Lauch, kohlensäurehaltige Getränke, sowie Brokkoli und alle Kohlarten. Bockshornklee ist ein gutes alternatives Würzmittel, das auch entblähend wirkt.

Allerdings leiden auch Flaschenkinder unter Blähungen:  Auf das richtige Fläschchen kommt es an. Hier wird geraten, auf ein kleines Saugerloch zu achten, keine Schaumreste mitzufüttern. Achten Sie darauf, dass es sich um eine bodenventilierte Flasche handelt. Durch die Belüftung im Boden werden Druckunterschiede optimal ausgeglichen. Im Handel sind spezielle Anti-Kolik Flaschen erhältlich. Koliken können damit reduziert werden und einem entspannten Trinkerlebnis steht nichts mehr im Wege. Die Milchnahrung kann mit Fencheltee zubereitet werden, stillende Mütter können selbigen trinken und so weitergeben.

Vorbeugung und Behandlung

  • Ihre Nähe tröstet Ihr Baby und wirkt beruhigend.
  • Der „Fliegergriff“ lässt die gestaute Luft leichter abgehen. Legen Sie Ihr Baby in Bauchlage auf einen Ihrer Unterarme. ­Seinen Kopf stützen Sie mit Ihrer Hand.
  • Eine sanfte Bauchmassage tut Ihrem Baby ebenfalls gut. Mit dem Daumen im Uhrzeigersinn sanft um den Bauchnabel des Kleinen massieren, lässt unangenehme Winde abgehen und löst manchmal sogar Verstopfungen. In der Apotheke gibt es spezielle Salben und Öle, die den entblähenden Massageeffekt noch unterstützen sollen. Zum Beispiel die Bäuchlein-Salbe Babynos, unterstützt Ihre Massage auf natürliche Weise mit den wohlriechenden ätherischen Ölen aus Anis und Kümmel. Die entspannenden Berührungen fördern neben der Anregung der Verdauung die Bindung zwischen Eltern und Kind.
  • Lassen Sie das Baby nicht jede halbe Stunde an der Brust oder Milchflasche trinken. Kommt ständig neue Milch hinzu, bevor die vorherige Mahlzeit verdaut ist, kann das Verdauungsprobleme nach sich ­ziehen.
  • Ruhe bewahren! Stillen oder füttern Sie in ruhiger Atmosphäre.
  • Nehmen Sie bei starken Beschwerden professionelle psychologische Unterstützung in Anspruch! Die Situation kann sehr belastend sein. Das Schreien eines Säuglings stellt einen der höchsten Stressfaktoren dar! Eltern-Kind-therapeutische Unterstützungen können oft schon nach einigen wenigen Sitzungen deutliche Entlastungen bringen. Bleibt die Schreiproblematik bestehen, setzt sie sich sehr häufig in den nächsten Entwicklungsschritten mit anderen Auffälligkeiten fort.

Blähungen, Unruhe, Fieber

Wärme, Nähe und Ruhe tragen viel zur Entspannung des Säuglings bei. Oft entkrampft er schon, wenn er in der sogenannten Fliegerposition eine Weile herumgetragen wird. Ein „pro forma“ rektales Fiebermessen hat auch einen entspannenden Effekt bei Blähungen. Ebenfalls hilft ein warmes Bad oder vorsichtiges Radfahren mit den Beinchen des Kindes. Fieber ist per se natürlich ein Auslöser für kindliche Unruhezustände. Die alte Weisheit, dass ein Kind schon einmal hoch fiebern darf, stimmt nach wie vor, jedoch empfiehlt es sich, über Nacht, wenn das Fieber über 38,5 Grad Celsius steigt, fiebersenkende Zäpfchen oder Säfte zu verabreichen, damit das Kind ruhiger schlafen kann und sich so seine Entspannung holt. Die guten alten Essigpatscherln, die unsere Großmütter noch anwandten, sind dabei ebenfalls sehr hilfreich.

Homöopathie

Auch die Homöopathie hilft sehr gut bei Fieber und Blähungen: z.B. Viburcol Zäpfchen mit Belladonna und Plantago major, Pulsatilla und Calcium carbonicum empfehlen sich nicht nur bei fiebrigen Unruhezuständen, sondern auch bei Blähungen. Weiters können Chamomilla D30, Calcium carbonicum Hahnemanni oder auch Calcium phosphoricum als Globuli gegeben werden. Chamomilla kann auch als Einzelmittel in Globuliform bei kindlichen Schlafstörungen oder Nervosität verwendet werden.

Langsamer Beikostaufbau

Wenn die anstrengenden ersten drei Monate manchmal kein Ende nehmen wollen: Die Zeit vergeht, und mit ihr meist auch das Phänomen der Dreimonatskoliken. Dennoch empfiehlt es sich, bei Kindern mit einem empfindlichen Verdauungssystem auch in der Folge neue Nahrungsmittel nur sehr langsam und vorsichtig einzuführen. Als Richtlinie nicht nur für kleine Allergiker kann man nach dem sechsten Lebensmonat im Zuge des Zufütterns ein neues Nahrungsmittel pro Woche ausprobieren. Und irgendwann sind Babys Blähungen nur noch Erinnerung …

Autor: ​Prim. Univ.-Lektor DDr. Peter Voitl, MBA