SelbstreflexionWenn Kinder nicht hören wollen ….

„Komm jetzt bitte anziehen, wir müssen los in den Kindergarten.“ Doch das Kind spielt seelenruhig weiter – kennen Sie das? Woran kann das liegen, dass uns unsere Kinder so gut „überhören“ können? Rudolf Dreikurs hat in seinem Buch „Kinder fordern uns heraus“ dafür den Begriff „muttertaub“ geprägt. Seine Conclusio zu diesem Thema lautet, dass Eltern dazu neigen, zu viele Worte über das Negative zu verlieren und zu wenige über das Positive.

Ist es nicht oft wirklich so? Da ist der Knirps unendlich stolz darauf, dass er die Schuhe selber angezogen hat und die elterliche Rückmeldung ist genervtes Wieder-Ausziehen und die Erklärung, dass er die Füße verwechselt hat … Sollte nicht gerade eine Zehn-Kilometer-Wanderung anstehen, ist der zu erwartende orthopädische Schaden durchs Anlassen der Schuhe definitiv geringer als der für den kindlichen Selbstwert durch das Ausziehen.

Wenn Kinder scheinbar dauerhaft auf Durchzug schalten und auf Bitten und Aufforderungen nicht reagieren, ist auch ein wenig Selbstreflexion gefragt. Wie oft bittet Sie Ihr Kind um etwas und Sie antworten mit „Ja, gleich.“? Wir sollten von anderen nichts verlangen, was wir selbst nicht schaffen.

Hilfreich ist auch ein nicht zu voller Terminkalender, denn auf Stress reagieren viele kleine Kinder quasi allergisch – planen Sie mit Kindern für das Einkaufen oder andere Wege und Aufgaben in etwa die doppelte Zeit ein, die Sie dafür alleine brauchen würden und lassen Sie bewusst mehrere Nachmittage ohne Programm.

Klassische Fallen

Da gibt es tatsächlich einige, in die Mütter und Väter tappen können und das passiert ihnen auch tagtäglich:

  1. Die Aufforderung aus dem Nebenzimmer
    Dem Ruf „Es gibt gleich Essen – wascht euch die Hände und kommt zu Tisch“ aus der Küche wird selten Folge geleistet. Kinder wissen schnell, dass sie das vorerst gefahrlos ignorieren können – wenn Mama nicht zu mir kommt, kann es ihr nicht so wichtig sein. Oder sie sind tatsächlich gerade sehr in ihr Spiel vertieft …
    Besser ist es, die Aufmerksamkeit sicherzustellen, also zu den Kindern zu marschieren, dort am besten in die Knie zu gehen und direkten (Augen)Kontakt zu suchen!
  2. Das elterliche Vorbild
    „Noch fünf Minuten spielen und dann gehen wir nach Hause!“ Und gerade dann kommt ein besonders interessantes Thema auf und die Mütter tratschen noch eine halbe Stunde, bevor sie aufbrechen. Selbst ein Kleinkind mit noch wenig Zeitgefühl merkt hier bald den Unterschied!
    Wenn Sie die Fünf-Minuten-Variante anwenden, ist es hilfreich, die Zeitspanne sichtbar zu machen – mit einer Eieruhr, die zeitgerecht läutet oder auf der großen Uhr anzuzeigen, wie die Zeiger dann stehen werden.
  3. Ihre innere Einstellung
    Die gesprochenen Worte machen nur einen geringen Anteil an der Kommunikation aus – viel wichtiger sind Stimme und Körpersprache. Wenn Sie bereits beim Reden den Gedanken „Das wird sowieso nichts, das kann ich wieder mal selber machen“ haben, wird Ihre Aufforderung kaum ankommen.
    Lenken Sie in dem Fall einmal den Blick aufs Positive – bestimmt gibt es jeden Tag mehrere Situationen, in denen Ihr Kind sofort auf Ihre Aufforderungen reagiert. Diese fallen uns meist gar nicht auf!
  4. Bitte oder Aufforderung – was ist denn hier der Unterschied?
    Diese Frage stelle ich gerne in meinen Workshops und ernte erst einmal Verständnislosigkeit. Ganz wesentlich ist Folgendes: Auf eine Bitte kann ich mit „Nein“ antworten und das steht auch Ihrem Kind zu. Überlegen Sie sich einmal, wie oft Sie Ihr Kind um etwas bitten, aber eigentlich eine „Forderung mit Mascherl“ stellen.
    Seien Sie ehrlich – wenn das Kind keine Wahl hat, dann lassen Sie das „bitte“ weg! Das ist jetzt natürlich keine Empfehlung, Ihr Kind ständig im Befehlston herumzukommandieren. „Es ist Zeit zum Anziehen“ ist genauso höflich wie „Komm jetzt bitte anziehen“, aber es macht deutlich, dass es kein Nein gibt!
  5. War Ihre Aufforderung deutlich genug?
    „Glaubst du nicht auch, dass du heute bereits genug Süßigkeiten gegessen hast?“ Ich beneide Sie um das Kind, das mit „Du hast recht, Mama.“ antwortet, aber das wird wohl selten passieren. Formulieren Sie besser klar und deutlich, was das Kind machen soll: „Ich finde, das waren genug Süßigkeiten heute, ich möchte, dass du jetzt aufhörst zu naschen!“ „Gib das Lego in die blaue Kiste und die Barbies in die rote“ wird besser funktionieren als ein bloßes „Räum dein Zimmer auf!“
  6. Eltern sind (unbewusst) doch ein bisschen stolz auf den „Querkopf“ des Kindes
    Da sitzt man dann mit seinen Freundinnen zusammen, erzählt die neuesten „Heldentaten“ seines Kindes und alle lachen herzlich. Das Kind hört zu – obwohl man denkt, es würde angeregt spielen – und lernt, eigentlich war sein Verhalten doch nicht so schlimm, wenn es nun zur Belustigung der Runde dient … Kein Wunder, wenn es sein Verhalten bald darauf wiederholt. Es will wissen, woran es nun wirklich ist.

Hier noch einmal kurz zusammengefasst, wie Sie Ihre Aufforderungen klarer kommunizieren können:

  • Aufforderungen nur dann, wenn sie auch eingehalten werden müssen
  • konkret sagen, was zu tun ist
  • die Aufmerksamkeit des Kindes sicherstellen
  • immer nur eine Aufforderung auf einmal
  • auf die nonverbalen Signale achten – Körpersprache und Stimme
  • altersadäquat, klar und einfach -formulieren

Wie meist klingt das in der Theorie einfacher, als es in der Praxis zu leben ist! Wenn Sie also mal frustriert sind, belohnen Sie sich selber – Mutter oder Vater zu sein ist oft schön, aber ganz oft auch anstrengend und Sie machen das sehr gut!

Autorin: Vera Rosenauer