„Na, du bist aber wirklich schmal geworden.“ „Du hast ja weniger Kilos als vor der Schwangerschaft?“ „Drei Krapfen? Ach, du verträgst es eh!“ „Sie sind ja gscheit dünn!“ – Das sind nur einige der Kommentare, die ich mir im Laufe meiner 8,5monatigen Stillzeit anhören durfte. Wie ich dann doch hellhörig wurde, mich wirklich nicht mehr gesund fühlte und wie schnell dann alles ging? Hier kommt mein Erfahrungsbericht als überzeugte Still-Mama mit plötzlicher Diagnose „Morbus Basedow“.
Zugegeben: Zunächst war es schon sehr angenehm, ich konnte nach der Geburt so viel essen, wie ich wollte, nahm trotzdem kontinuierlich wieder ab und freute mich, als ich sogar ein, zwei Kilos weniger hatte als vor der Schwangerschaft. Es ging schließlich wirklich wie von selbst. Süßigkeiten waren so gut wie noch nie und eine oder zwei Nachspeisen nach Suppe und Hauptspeise mussten immer sein. Wenn es die Zeit und das Baby erlaubten, machte ich mir Kaiserschmarrn, Palatschinken und sonstige Mehlspeisen, weil ich so ein Verlangen danach hatte. Wenn ich das im Familien- und Freundeskreis erzählte, schüttelten alle nur lachend den Kopf: „Du als Fleischtiger isst plötzlich süß? Naja, das Stillen zehrt halt so. Du brauchst die Kalorien ja eh.“ Ja, das dachte ich auch – aber kurz zurück zum Anfang.
Komplikationsfreier Start
Ende Juli 2018 kam unsere Tochter nach einer zum Glück sehr komplikationsfreien Schwangerschaft zur Welt, ein ganz durchschnittlich großes/kleines Baby. Nach einer bereits erlittenen Fehlgeburt in Schwangerschaftswoche 11 im Sommer 2017 war es einfach unser Wunder. Ja, mein Bäuchlein war jetzt nicht überwältigend groß, die Schwangerschaftskilos hielten sich in der Norm. Ich war aber auch sportlich bis zum letzten Tag und fühlte mich dabei immer sehr gut. Die Milch schoss ordentlich ein, das Stillen klappte von Anfang an wirklich gut und ich fühlte mich grundsätzlich wohl. Nach dem Gyn-Check durfte ich wieder Sport machen, besuchte regelmäßig die mamaFIT® Kurse im Schlosspark Schönbrunn und nach vier Monaten traute ich mich wieder, mit Piloxing® zu starten.
So weit so gut, dachte ich, und bis auf einige hormonbedingte Schwankungen bei der Festigkeit des Beckenbodens fühlte ich mich vier bis fünf Monate nach der Geburt wieder sportlich fit, meine Rectus Diastase war fest sowie geschossen und meine Rückbildung betrachtete ich als so gut wie abgeschlossen.
Ich war gleichzeitig um drei Kilos leichter als vor der Schwangerschaft. Haarausfall hatten schließlich viele Stillende und dass mir trotz Minusgraden immer sehr warm bis heiß war, fühlte sich zu der Zeit eher als Nebenwirkung des Stillens an.
Die ersten Anzeichen
So um Weihnachten kamen dann die ersten Anmerkungen von Familienangehörigen, die mich schon länger nicht gesehen hatten, ob ich mich auch gesund fühle, denn so dünn bin ich ja noch nie gewesen. Ich bemerkte dann bei den ersten mamaFIT® Trainings im Jänner/Februar, dass ich keine tiefen Ausfallschritte oder Kniebeugen mehr machen konnte, ohne dass meine Oberschenkelmuskulatur aufgab. Im Intervalltraining bei Piloxing® musste ich nach 20 Minuten pausieren und spürte noch ein bis Stunden danach unter der Dusche meine Muskeln zittern. Ich erholte mich nach jeglicher sportlichen Tätigkeit sehr lange nicht und hatte ein ständiges Muskelkatergefühl. Sobald ich ein Trinkglas zum Mund führte, zitterte meine Hand und ich aß noch immer „wie ein Mäh-Drescher“. Gleichzeitig hatte ich drei bis vier Mal täglich Stuhlgang.
So schnell kann es gehen
Im März 2019 erzählte ich dies dann der Kinderärztin bei der Elternberatung und meinte, ob sie mir bitte Tipps geben könnte, wie ich langsam und sanft abstillen kann. Wir hatten bereits drei richtige Mahlzeiten eingeführt, meine Tochter aß brav und ich dachte, ich gebe uns vier bis sechs Wochen für die Umstellung von Beikost auf richtiges Essen und eventuell Fläschchen Zeit. Ich war mittlerweile auf 8kg unter meinem „Normalgewicht“ (56,5kg bei 176cm Körpergröße) und stieg lieber in den Lift vom Erdgeschoß in den zweiten Stock ein, um nicht zu Fuß gehen zu müssen. Sie fragte mich nach weiteren Symptomen und riet mir, unbedingt meine Schilddrüse überprüfen zu lassen, es spräche sehr viel für eine Überfunktion. Ich hatte zuvor noch nie davon gehört, aber machte mir tags darauf einen Termin bei meiner Gynäkologin aus, die zum Glück spontan zwei Tage später noch Zeit hatte, um mir Blut abzunehmen. Auch sie meinte, es könnte durchaus mit der Schilddrüse zusammenhängen und als sie mich (etwas panisch) eineinhalb Tage später anrief und meinte, ich solle mir sofort einen Termin in der Schilddrüsenpraxis ausmachen, weil ich einen Spezialisten brauche, wurde ich etwas unruhig. Dieses ungute Gefühl wurde noch mehr, als mich die Sprechstundenhilfe der Praxis nach meinen Schilddrüsenwerten fragte, sie nach meiner Antwort kurz still war und sagte: „Kommen Sie morgen um 14.00 Uhr zum Chef persönlich!“
Ich organisierte Babysitter, mein Mann begleitete mich und ab diesem Moment ging es eigentlich ziemlich rasant. Mittlerweile war meine Tochter 8,5 Monate alt, ich hatte sie und mich schon ein wenig darauf vorbereitet und immer mit ihr auch darüber gesprochen, dass wir bald mit dem „Busentrinken“ aufhören. Jedes Mal beim Anlegen (ca. noch zwei Mal am Tag und viel in der Nacht) habe ich ihr gesagt, dass das Stillen sehr schön sei, aber dass es bald mal vorbei sein werde, denn die Mama schafft es irgendwie nicht mehr, es geht ihr nicht mehr so gut dabei. Sie nahm den Trinkbecher und das Fläschchen mittlerweile gut an. Also tat ich eigentlich sehr viel, was man so in einschlägiger Literatur und in Beiträgen zum sanften Abstillen liest.
Der Schilddrüsenspezialist meinte, um Gewissheit zu haben, bräuchte ich eine Szintigrafie (siehe Factbox zur näheren Erklärung). Da dies bedeutete, dass ich 24 Stunden lang etwas radioaktiv wäre und die Muttermilch verwerfen müsste, meinte er, würde sich dies anbieten, um gleich abzustillen, denn mit dem Medikament, das er mir verschreiben muss, darf ich ohnehin nicht mehr weiterstillen. Mir wurde klar, dass es sich wirklich um eine Krankheit handelte, die ich ernst nehmen musste und deshalb stimmte ich zu.
Factbox
Szintigrafie:
Nuklearmedizinische Untersuchung, bei der eine geringe Menge eines sehr schwachen radioaktiven Medikaments (Technetium – Tc 99m) in eine Vene (zumeist in der Ellenbeuge) gespritzt wird. Danach muss der Patient/die Patientin etwa 20 Minuten warten – in dieser Zeit reichert sich das Technetium so wie natürlich vorkommendes Jod in der Schilddrüse an. Damit kann der regionale Stoffwechsel der Schilddrüse mit einer Gammakamera bildlich dargestellt werden. Anschließend folgt die Aufnahme. Dabei sitzt der Patient für einige Minuten vor der Gammakamera. Während dieser Zeit sollte er sich nicht bewegen und nicht sprechen. Nach Auswertung der Aufnahme kann der Arzt beurteilen, wie sich der Stoffwechsel der gesamten Schilddrüse verhält.
Die Krankheit
Nachdem der Arzt dann alle Werte vorliegen hatte, präsentierte er mir die Diagnose: MORBUS BASEDOW. Der Morbus Basedow (oder auch Basedow’sche Krankheit genannt) ist eine Autoimmunerkrankung der Schilddrüse, die zu einer Überfunktion der Schilddrüse führt. Das Immunsystem bildet irrtümlicherweise Antikörper gegen den TSH Rezeptor (siehe Factbox), die eine Entzündung in der Schilddrüse verursachen und die Schilddrüse stimulieren. Dadurch kommt es zu einer Schilddrüsenüberfunktion. TSH-Rezeptor-Antikörper (kurz „TRAK“) können auch an andere Gewebsstrukturen binden: Bei den „Basedow‘schen Glotzaugen“, der endokrinen Orbitopathie, kommt es zu einer Entzündung des Gewebes hinter dem Auge, das „prätibiale Myxödem“ ist eine Entzündung des Bindegewebes am vorderen Unterschenkel. Zum Glück hielten sich meine äußerlichen Symptome in Grenzen und ich hatte weder die typischen Basedow-Augen noch einen umgangssprachlich so genannten „Kropf“ oder entzündetes Bindegewebe. Jedoch hatte ich sonst, wie schon beschrieben, alle anderen typischen Symptome und mir wurde jetzt auch vieles klar.
Factbox
TSH
Thyrotropin ist ein Hormon, das von der Adenohypophyse ausgeschüttet wird und die Schilddrüse zur Bildung von Schilddrüsenhormonen anregt. Umgekehrt wird die TSH-Ausschüttung durch Schilddrüsenhormone gebremst (Thyreotroper Regelkreis). Wenn dies nicht der Fall ist, ist der Stoffwechsel gestört.
Quellen & Links:
Emotionales Realisieren
Vor Traurigkeit und durch das Realisieren, dass ich jetzt doch so abrupt und komplett abstillen musste, vor Angst vor dem, was jetzt noch kommt und wie meine Tochter es aufnehmen wird, aber auch vor Erleichterung, weil ich nun endlich Gewissheit hatte, dass ich mir das alles nicht nur eingebildet hatte, musste ich noch in der Praxis weinen. Ich hatte an diesem Tag in der Früh zum letzten Mal gestillt – einfach so, ohne es besonders zu genießen oder darüber nachzudenken. Ich habe auch danach immer wieder mal noch ein paar mehr Tränen vergossen – auch jetzt beim Schreiben dieses Artikels.
Wie es nun weiterging
Der Arzt verschrieb mir eine sehr hohe Dosis der Tabletten, welche die Überfunktion der Schilddrüse drosselten. Zusätzlich bekam ich Beta-Blocker, da diese Krankheit durch die Überfunktion auch das Herz sehr belastetet und ich somit den hohen Puls wieder in den Griff bekommen sollte. Er meinte, ob er mir auch Tabletten für das Abstillen verschreiben sollte, aber ich dachte mir, dass das mein Körper sicher so schaffen würde und es bestimmt einige Hausmittel gäbe, die helfen könnten. Da man in österreichischer Literatur oder auf Webseiten kaum etwas über schnelles, eigentlich ungewolltes Abstillen findet, machte ich mich auf einer Schweizer Seite darüber schlau, fragte eine befreundete Homöopathin und rüstete mich mit Pfefferminztee, Globuli, händischer Milchpumpe, Topfen sowie Salbeitee.
Ich fühlte mich von meiner Hebamme etwas alleingelassen, die nur meinte, irgendwie könnte man schon weiterstillen, auch trotz Tabletten, aber es ist halt risikobehaftet. Ich bekam keine Tipps, die irgendwie hilfreich waren, fand nicht einmal in Foren etwas dazu, denn alle (speziell österreichische) Webseiten propagieren nur „Stillen so lange als möglich“ und dass es „das Beste“ für das Kind wäre. Ja, das war mir bewusst, aber ich war körperlich am Ende und musste jetzt auf meine Gesundheit schauen. Natürlich war ich unendlich traurig, denn ich hatte mir und meiner Tochter einfach die Zeit geben gewollt, die sie und ich brauchten und niemals so abrupt aufhören müssen.
Hilfe zur Selbsthilfe
Somit war ich jetzt auf mich allein gestellt. Was habe ich nun gemacht, um das schnelle Abstillen ohne Brustentzündung oder Milchstau zu überstehen?
- das Kind nicht mehr anlegen
- enge Sport-BHs anziehen und Brustwarzen nicht stimulieren
- kühlen der Brust
- ausstreifen unter der Dusche
- bei spürbaren Verhärtungen etwas abpumpen (nur mehr händisch und maximal halb leer pumpen)
- Pfefferminztee trinken
- Salbeitee trinken
- Globuli nehmen (Phytolacca C30, 3x täglich) – bitte mit Homöopathen vorher abklären!
- viel Petersilie im Essen
Es dauerte trotz allem ca. zehn Tage, bis ich das Gefühl hatte, die Milch ist nun versiegt. Weitere vier bis sechs Wochen vergingen, bis sich der Busen ganz leer anfühlte, ich in der Nacht keine Tropfen mehr verlor und der Busen zur Ursprungsgröße bzw. etwas weniger zurückgeschrumpft war.
Was sonst noch wichtig war
Ernährungstechnisch verzichtete ich nun auf jodhaltige Produkte bzw. schränkte diese ein, da Jod die Schilddrüse zusätzlich anheizen würde. Ich durfte keinen Sport mehr machen, bis ich dann nach sechs Wochen Pause endlich die Dosis der Medikamente reduzieren konnte und ich gut auf die Tabletten ansprach. Da ich die typischen depressiven Stimmungsschwankungen ebenfalls hatte, suchte ich mir eine Therapeutin, bei der ich viel abladen konnte. Gleichzeitig ging ich zur Akupunktur ins Zentrum für chinesische Medizin und bekam chinesische Kräuter, die meine Leber wieder stärken sollten, was auch gut funktionierte. Ich fand danach mit Mikronährstoffen eine gute Balance für meinen Körper und war bis kurz vor der Operation schon auf einer sehr geringen Tablettendosis. Ich hatte die Überfunktion gut im Griff, mein altes Gewicht und meine Kraft wieder. Ich bewegte mich mit meiner Tochter viel an der frischen Luft, tauschte mich beim Training mit anderen Mamas aus und fand wieder in meine alte Routine zurück. Für mich war eine möglichst ganzheitliche Herangehensweise sehr hilfreich.
Und jetzt?
Meine Tochter war unglaublich toll und mein Mann (auch eine tolle Stütze – danke!) übernahm das Schlafengehen ab diesem Zeitpunkt, da sie von ihm das Fläschchen zum Einschlafen besser annahm. Untertags versuchte ich so gut als möglich auf das Fläschchen mit Pre-Milch zu verzichten, außer ich hatte das Gefühl, sie aß sich nicht ganz satt. Nach ungefähr zwei Wochen reduzierten wir schon auf ein Fläschchen am Morgen und eines am Abend, das trinkt sie auch jetzt noch. Mittlerweile ist sie 18 Monate alt, ich habe keine Schilddrüse mehr und mir geht es wieder hervorragend. Ich habe kurz vor meiner Operation die Ausbildung zur mamaFIT® Trainerin gemacht, bin seit Jänner (seit der Sportfreigabe) selbst im Schlosspark Schönbrunn als Trainerin im Einsatz, blicke positiv in die Zukunft und vielleicht auch bald Richtung zweites Kind, was mit Erkrankung kaum bis nicht möglich gewesen wäre. Manchmal holen mich die Stimmungsschwankungen und depressiven Momente noch ein, aber es dauert einfach seine Zeit, bis Körper und Geist wieder rund laufen. Ich tanke viel Kraft bei meinen Trainingsstunden, der Austausch mit anderen Mamas bringt mich immer weiter und ich freue mich, wenn ich etwas von meinen Erfahrungen weitergeben und somit der einen oder anderen Mama helfen kann. Weitere Infos zu mir, Kontaktdaten bei Fragen zum Thema Training in der Schwangerschaft/nach der Geburt/nach der Schilddrüsen-Operation usw. und natürlich zu meinem Trainingsangebot gibt es auf www.mamafit.at/trainer/magdalena-schedl
Autorin: Mag. Magdalena Schedl BEd