Was ist richtig, was ist falsch?10 MYTHEN ÜBER DIE RÜCKBILDUNG NACH DER GEBURT

In den neun Monaten einer Schwangerschaft macht der Körper viele Veränderungen durch. Während dein Baby langsam in deinem Bauch heranwächst, passt sich dein Körper an die neue Situation an. Im Laufe der Schwangerschaft nimmt nicht nur deine Gebärmutter an Gewicht zu, auch deine geraden Bauchmuskeln verlängern sich und werden zur Seite gedrängt. Das zunehmende Gewicht belastet den Beckenboden, bei einer spontanen Geburt wird er zusätzlich gedehnt. Hast du per Kaiserschnitt entbunden, wurden die Bauchmuskeln verletzt. Ist nach langem Warten das Baby endlich da, fahren die Gefühle Achterbahn. Das alte Leben scheint völlig auf dem Kopf zu stehen. In den ersten Wochen nach der Geburt stellen viele Mütter die eigenen Bedürfnisse hinten an. Vergessen scheint die Tatsache, dass dein Körper von der Schwangerschaft und der Geburt Erholung benötigt. Dabei ist ein gut abgeschlossener Rückbildungsprozess Voraussetzung für Belastbarkeit und Wohlergehen in den kommenden Jahren.

Franziska Severino ist selbst Mami eines zehn Monate alten Sohnes, Physiotherapeutin und Gründerin der Running Clinic Mom. Für uns analysiert sie die zehn häufigsten Mythen über die Rückbildung nach der Geburt.

Mythos #1: Mein Arzt hat bei der abschließenden Untersuchung eine Sportfreigabe ausgesprochen, die Rückbildung ist also abgeschlossen.

Stimmt nicht ganz! Sechs Wochen nach der Geburt findet in der Regel die Abschlussun-tersuchung beim Frauenarzt statt. Untersucht werden die Rückbildung der Gebärmutter und der Heilungszustand etwaiger Geburtsverletzungen. Hat sich die Gebärmutter wieder auf ihre ursprüngliche Größe zurückgebildet, spricht der Gynäkologe/die Gynäkologin die Sportfreigabe aus. Das ist jedoch für viele irreführend. Die Rückbildung ist erst völlig abgeschlossen, wenn die Beckenboden Muskulatur ihre volle Stärke und Funktion zurück erlangt hat und der Bauchspalt zwischen den geraden Bauchmuskeln (Rectus Diastase) -geschlossen ist.

Mythos #2: Ich mache einen Fitness-Kurs nach der Geburt, das reicht zur Rückbildung.

Falsch! Der Schwerpunkt der Rückbildungsgymnastik liegt in der Stärkung der Bauchkapsel (Beckenboden, Bauchmuskulatur, Rückenmuskulatur und Zwerchfell). Die Übungen sollten immer an die Phase der Rückbildung angepasst werden. Über- aber auch Unterforderung verzögern oder verhindern sogar die Rückbildungsprozesse nach der Geburt. Ein Rückbildungskurs wird daher nur von Hebammen oder -PhysiotherapeutInnen durchgeführt, denn sie sind medizinisch geschult auf die Bedürfnisse des weiblichen Körpers nach der Geburt. Wird also beim Sport nach der Geburt nicht auf die Rückbildungsvorgänge der Mutter geachtet, kann dies zu erheblichen Beschwerden im Laufe des Lebens führen. Denn die Folgen zeigen sich meist erst einige Monate bis Jahre nach der Geburt.

Mythos #3: Ich hatte einen Kaiserschnitt, da ist Rückbildungsgymnastik unnötig.

Falsch! Die Bauchmuskulatur und der Beckenboden werden bereits durch die Schwangerschaft stark gefordert. Daher kann eine Beckenbodenschwäche genauso bei Müttern entstehen, die per Kaiserschnitt entbunden haben. Durch den Schnitt an der Bauchwand benötigen auch die Bauchmuskeln ein besonderes Augenmerk beim Training für eine stabile Mitte.

Mythos #4: Beim ersten Kind muss man noch kein Rückbildungstraining machen.

Falsch! Jede Schwangerschaft und Geburt ist eine große Belastung für den Körper. Gerade bei der ersten Entbindung entstehen häufig Geburtsverletzungen. Die Rückbildungsprozesse werden dadurch beeinflusst und sollten mit speziellen Übungen unterstützt werden.

Mythos #5: Wenn ich niese, verliere ich manchmal ein Tröpfchen. Das macht doch nichts.

Stimmt nicht ganz! Einige Tage nach der Geburt kann das durchaus der Fall sein. Ist es drei Monate nach einer vaginalen Geburt bzw. vier Monate nach einem Kaiserschnitt noch der Fall, sollte dem Beckenbodentraining etwas mehr Beachtung geschenkt werden.

Mythos #6: Ich hatte keine -Geburtsverletzung, Rückbildungstraining ist für mich unnötig.

Falsch! Auch wenn der Beckenboden bei der Geburt nicht verletzt wurde, so ist das Rückbildungstraining wichtig. Bei dem Training wird das Zurückziehen der Gebärmutter unterstützt und die Bauchmuskulatur gekräftigt. Wusstest du, dass sich die geraden Bauchmuskeln während der Schwangerschaft um ca. 10–15cm verlängert haben? Nach der Geburt bleibt meist ein Spalt zwischen den Bauchmuskelsträngen, der sich nur durch Training wieder schließen kann.

Mythos #7: Nach der Geburt helfen Sit-ups für einen flachen Bauch.

Falsch! Sit-ups sind völlig ungeeignet für das Bauchtraining direkt nach der Geburt. Ist der Spalt zwischen den geraden Bauchmuskeln noch nicht geschlossen, vergrößert sich dadurch sogar deine Rectus Diastase.

Mythos #8: Die Geburt meines Kindes liegt schon eine längere Zeit zurück. Jetzt ist es zu spät für Rückbildungstraining.

Falsch! Für Rückbildungstraining ist es nie zu spät. Auch lange nach der Geburt kann die Muskulatur mit richtiger Förderung ihre volle Funktion wiedererlangen. Das Training schützt nämlich vor Beckenbodenschwäche, Gebärmutter- bzw. Blasensenkung und Rücken-schmerzen. Das sind häufige Beschwerden von Frauen mit nicht -abgeschlossener Rückbildung.

Mythos #9: Ein Rückbildungskurs ist nicht sportlich.

Stimmt nicht ganz! In den ersten Wochen nach der Geburt steht die Erholung im Vordergrund. Die ersten Übungen zur Unterstützung der Rückbildung werden mit einem Physiotherapeuten/einer Physiotherapeutin nach der Entbindung noch im Krankenhaus gemacht. Ja, diese sind sanfte Atem- und Spürübungen. Idealerweise kannst du deine Rückbildung aber 3–4 Wochen nach vaginaler Geburt (vier bis acht Wochen nach einem Kaiserschnitt) durchaus unter professioneller Anleitung sportlicher angehen.

Mythos #10: Ich habe ein Kind bekommen und möchte ohne Rückbildungstraining wieder Laufen. Da kann doch nichts passieren.

Falsch! Zu früh begonnenes Lauftraining kann dir schaden. Dein Gynäkologe sollte dir bei der Abschlussuntersuchung gesagt haben, dass die Gebärmutter wieder völlig zurückgebildet ist. Außerdem solltest du mindestens drei Monate nach einer vaginalen Geburt (vier Monate nach einem Kaiserschnitt) abwarten. Erst dann, und wenn sich die gerade Bauchmuskeln wieder geschlossen haben bzw. du beim Niesen mit normal gefüllter Blase keinen Harn verlierst, solltest du ins Lauftraining.

Autorin: Franziska Severino-Schönburg