Mein Sohn Arno ist gerade zwei Jahre alt geworden und beginnt erst jetzt zu sprechen. „Warum so spät?“, haben mich schon einige Leute gefragt. Die erste Antwort auf diese Frage ist natürlich, dass die Entwicklung jedes Kindes ein anderes Tempo hat und die Sprache bis jetzt nicht das Hauptinteresse meines Sohnes war. Dann füge ich allerdings immer hinzu: „Und er wächst mit zwei Sprachen auf!
Schon vor der Geburt von Arno stand für mich und meinen Freund fest, dass unsere Kinder zweisprachig – mit Deutsch und Englisch – aufwachsen sollen. Warum? Weil wir die Möglichkeit dazu haben und ihnen einen Vorteil im Leben verschaffen wollen. Egal, welche Sprachen man anbieten kann und ob es nun zwei oder sogar mehr Sprachen sind – in unserer immer vernetzter und internationaler werdenden Welt bietet die Zwei- bzw. Mehrsprachigkeit sowohl privat als auch beruflich einen Vorteil. Zusätzlich habe ich durch meine vielen Reisen und Auslandsaufenthalte gute Freunde in anderen Sprachkreisen gewonnen und würde mir wünschen, dass meine Kinder genauso reise- und entdeckerfreudig werden und sie es durch die zwei bereits gelernten Sprachen leichter schaffen, internationale Freundschaften sowie Kontakte zu knüpfen.
Um mich auf die Herausforderung einer zweisprachigen Erziehung vorzubereiten, habe ich zuerst mit Freunden und Kollegen, deren Erstsprache Englisch ist, gesprochen und deren Meinung eingeholt, ob mein Englisch gut genug dafür sei. Ich habe mich schon seit langem sehr wohl mit dem Gebrauch von Englisch in allen Lebenslagen (von privat bis zu beruflich) gefühlt, wollte aber trotzdem die Meinung in Bezug auf meine Grammatik und Aussprache hören, weil Englisch nicht meine Erstsprache ist, sondern ich diese erst in der Schule gelernt habe. Da keiner der Befragten Einwände hatte, wurde ich in meinem Vorhaben noch mehr bestärkt. Über eine Internetrecherche zum Thema mehrsprachige Erziehung bin ich dann auf das Buch „Mit zwei Sprachen groß werden“ von Elke Montanari gekommen, welches mir sehr dabei geholfen hat, das Thema noch besser zu verstehen und auch zu entscheiden wie genau wir es angehen wollten bzw. sollten.
Da es verschiedene Möglichkeiten gibt, zwei Sprachen in der Familie zu benutzen, mussten wir uns erstmal für jene Möglichkeit entscheiden, die für uns am besten passte. Da mein Freund zwar auch gut, allerdings nicht ganz so fehlerfrei Englisch spricht, haben wir uns für die „eine Person – eine Sprache“ Methode entschieden. Ganz einfach gesagt, ich spreche (wenn ich direkt mit Arno spreche) nur Englisch und mein Freund spricht nur Deutsch mit ihm. Daran halten wir uns seit Arnos Geburt. Natürlich rutscht auch mir immer wieder mal ein deutsches Wort heraus und auch mein Freund verwendet hin und wieder ein englisches Wort, vor allem, wenn er meint, dass Arno es besser versteht. Mein Freund und ich sprechen untereinander weiterhin Deutsch und auch alle anderen Familienmitglieder unterhalten sich mit uns und Arno auf Deutsch.
Es gibt noch einige andere Möglichkeiten, um Kindern mehr als eine Sprache von Geburt (oder jungen Jahren) an mitzugeben. Bei zwei Sprachen ist es noch relativ leicht (vor allem wenn die beiden Eltern je eine oder beide Sprachen sprechen), bei drei oder sogar mehr Sprachen wird es immer schwieriger, diese voneinander abzugrenzen und gewisse Situationen, Orte oder Personen mit diesen Sprachen zu verknüpfen. Egal, ob zwei oder mehr Sprachen – alle Methoden sind sehr gut in Elke Montanaris Buch beschrieben und sie erklärt darin auch, wie man die Sprachen beispielsweise in der Familie Hand haben bzw. einführen kann.
Ich habe nach der Matura für zwei Jahre in den USA als Au Pair gearbeitet, danach Englisch und American Studies an der Universität Wien studiert und war seitdem in internationalen Unternehmen mit Englisch als Arbeitssprache tätig. Für mich hat Englisch einen sehr schönen Klang und da mir die Sprache sehr ans Herzen gewachsen ist, habe ich eine ganz andere – sehr emotionale – Verbindung zu ihr. Dies wäre vermutlich anders, wenn ich Englisch einfach nur in der Schule gelernt hätte und sie nur benutzen würde. Natürlich war es auch für mich am Anfang seltsam, mit meinem Kind nur Englisch zu sprechen, da ich Deutsch sicherlich besser beherrsche und in einem deutschsprachigen Land lebe, aber nach und nach habe ich mich daran gewöhnt und mittlerweile ist es völlig normal, dass ich mit Arno Englisch spreche. Noch dazu haben wir mit Englisch eine Sprache, die viele andere Leute verstehen und die häufig gebraucht wird. Die einzige Ausnahme, die ich mache, ist, wenn ich meine Großeltern (also Arnos Urgroßeltern) besuche. Da alle schon über 90 Jahre alt sind und kein Englisch verstehen, übersetze ich für sie das, was ich Arno gesagt habe, indem ich es nochmal direkt Arno auf Deutsch sage.
Ich bin meinem Umfeld sehr dankbar, dass es nie Kritik an unserer Entscheidung gegeben hat. Nicht einmal unsere Großeltern halten die Zweisprachigkeit für eine schlechte Idee. Selbst wenn man Kritik gut annehmen und trotzdem bei seiner Entscheidung bleiben kann, hätte es diese sicher nicht einfacher gemacht. Anfangs gab es zwar die ein oder andere Äußerung des Bedenkens, aber eigentlich fanden es alle immer toll, dass wir Arno diese Möglichkeit bieten können bzw. wollen und es wurde auch oft von einem Vorteil im Leben gesprochen.
Die beste Bestätigung für uns, dass unsere Zweisprachigkeit funktioniert, ist zu sehen, wie beide Sprachen für Arno selbstverständlich sind und zu seinem Leben gehören. Er versteht alles sowohl auf Englisch als auch auf Deutsch und die Wörter, die er jetzt schon spricht, sind eine Mischung aus beiden Sprachen. Wenn er beide Wörter gleich oft hört, sucht er sich die Sprache, in der das Wort einfacher auszusprechen ist, aus. Für mich macht es das manchmal etwas komplizierter (aber definitiv auch lustiger und spannender), herauszufinden, was er genau sagen will und in welcher Sprache er versucht das Wort zu sagen. Wie seine sprachliche Entwicklung weiter gehen wird, ist natürlich nicht vorauszusagen. Er könnte sich irgendwann auch für seine „Lieblingssprache“ entscheiden, beide Sprachen mischen und Wörter abwechseln oder eine Sprache komplett boykottieren. Wir werden auf jeden Fall mit unserer gewählten Methode fortfahren und Arno zusätzlich unterstützen, indem wir ihn in einen Kindergarten geben, der Englisch mit einem Native Speaker als Schwerpunkt hat. Meine Hoffnung ist, dass Arno an beiden Sprachen Gefallen und Nutzen findet und sowohl Deutsch als auch Englisch weiter übt und benutzt.
Autorin: Natascha Wondrusch